Deutsch und deutsch
Immer wieder erhält Lilli Mails, die ungefähr so lauten: „XY ist eine Deutsche, die vor kurzem in Montréal angekommen ist, vielleicht kannst du sie ja mal anrufen, wäre doch nett für euch beide.“ Die wohlmeinenden Leute, die Lilli so ansprechen, denken immer genau nach den gleichen Strukturen. Sie denken:
1. Leute mit gleicher Nationalität müssen automatisch eine Verbundenheit verspüren, vor allem im Ausland.
2. Neuankömmlinge brauchen immer Hilfe.
Soso. Und obwohl Lilli keine überschäumend herzliche Person ist, die auf Fremde mit offenen Armen zugeht, überwindet sie das dämliche Gefühl, das sie jedes Mal dabei hat, und ruft die „Neue“ tatsächlich an – auch, um demjenigen, der sie darum gebeten hat, einen Gefallen zu tun, aber hauptsächlich, weil sie weiß, wie man sich fühlt, wenn man irgendwo fremd ist. Da sucht man nach Informationen über Impfungen und Sportvereine, aber auch nach ein bisschen Trost und Zuspruch, dass alles schon irgendwie werden wird. Dieses „Gefühl der Verbundenheit“ aber, von dem irgendwie aufgrund der gleichen Nationalität ausgegangen wird, ist eine Utopie, denn die gewisse Chemie, die zwischen Freunden herrscht, muss sich auch im Ausland einstellen, sonst fühlt man sich dem Deutschen am anderen Ende der Leitung genau so verbunden wie einem Marsmenschen mit Schwanz und Antenne.
Gestern also ruft Lilli eine gewisse Uschi an, die vor kurzem in Montréal gelandet ist, und bietet ungeschickt ihre Hilfe an – nur um zu hören, dass Uschi 30 Jahre lang in Frankreich gelebt und deshalb keinerlei Sprachprobleme hat, hier auf Familienmitglieder zählen kann, schon ein paar Mal in Montréal zu Besuch war und insgesamt überhaupt auf niemanden angewiesen ist. Als Lilli anbietet, doch mal zum Kaffee vorbeizukommen (eine Einladung, die sie hier nur selten ausspricht, da der Durchschnittskanadier bei einer derartigen Aktivität weder weiß, wann sie anfängt oder aufhört, noch, was er dabei wohl zu essen erwarten kann), nimmt Uschi diese nur zögernd an und in einem Ton, der zu verstehen gibt, dass sie damit Lilli einen Gefallen tut und nicht umgekehrt.
Es gibt also Deutsche und Deutsche – sagen wir mal die Ungelenkigen, die im Ausland erst einmal aufgeschmissen sind, weil sie nur das Leben in Deutschland kennen, und die Weltgewandten, die zwar einen deutschen Pass, aber die Seele eines Weltenbummlers haben. Dann gibt es sympathische Deutsche und solche, mit denen man nichts zu tun haben möchte, auch wenn sie die einzigen Deutschen auf 1000 km Entfernung wären. Je länger man darüber nachdenkt, umso schwieriger fällt einem eine Definition des Begriffs „Nationalität“. Ist Lilli denn noch deutsch, wenn sie keinerlei Drang verspürt, irgendwann einmal wieder in Deutschland zu leben? Wenn sie anfängt, nach Wörtern zu suchen, die ihr nur auf Französisch einfallen? Für Lilli steht nur eines fest: wer das Prinzip des Nachmittagskaffees kennt und aktiv unterstützt, darf sich dazuzählen. Und wer weiss, was Brezeln sind.
1. Leute mit gleicher Nationalität müssen automatisch eine Verbundenheit verspüren, vor allem im Ausland.
2. Neuankömmlinge brauchen immer Hilfe.
Soso. Und obwohl Lilli keine überschäumend herzliche Person ist, die auf Fremde mit offenen Armen zugeht, überwindet sie das dämliche Gefühl, das sie jedes Mal dabei hat, und ruft die „Neue“ tatsächlich an – auch, um demjenigen, der sie darum gebeten hat, einen Gefallen zu tun, aber hauptsächlich, weil sie weiß, wie man sich fühlt, wenn man irgendwo fremd ist. Da sucht man nach Informationen über Impfungen und Sportvereine, aber auch nach ein bisschen Trost und Zuspruch, dass alles schon irgendwie werden wird. Dieses „Gefühl der Verbundenheit“ aber, von dem irgendwie aufgrund der gleichen Nationalität ausgegangen wird, ist eine Utopie, denn die gewisse Chemie, die zwischen Freunden herrscht, muss sich auch im Ausland einstellen, sonst fühlt man sich dem Deutschen am anderen Ende der Leitung genau so verbunden wie einem Marsmenschen mit Schwanz und Antenne.
Gestern also ruft Lilli eine gewisse Uschi an, die vor kurzem in Montréal gelandet ist, und bietet ungeschickt ihre Hilfe an – nur um zu hören, dass Uschi 30 Jahre lang in Frankreich gelebt und deshalb keinerlei Sprachprobleme hat, hier auf Familienmitglieder zählen kann, schon ein paar Mal in Montréal zu Besuch war und insgesamt überhaupt auf niemanden angewiesen ist. Als Lilli anbietet, doch mal zum Kaffee vorbeizukommen (eine Einladung, die sie hier nur selten ausspricht, da der Durchschnittskanadier bei einer derartigen Aktivität weder weiß, wann sie anfängt oder aufhört, noch, was er dabei wohl zu essen erwarten kann), nimmt Uschi diese nur zögernd an und in einem Ton, der zu verstehen gibt, dass sie damit Lilli einen Gefallen tut und nicht umgekehrt.
Es gibt also Deutsche und Deutsche – sagen wir mal die Ungelenkigen, die im Ausland erst einmal aufgeschmissen sind, weil sie nur das Leben in Deutschland kennen, und die Weltgewandten, die zwar einen deutschen Pass, aber die Seele eines Weltenbummlers haben. Dann gibt es sympathische Deutsche und solche, mit denen man nichts zu tun haben möchte, auch wenn sie die einzigen Deutschen auf 1000 km Entfernung wären. Je länger man darüber nachdenkt, umso schwieriger fällt einem eine Definition des Begriffs „Nationalität“. Ist Lilli denn noch deutsch, wenn sie keinerlei Drang verspürt, irgendwann einmal wieder in Deutschland zu leben? Wenn sie anfängt, nach Wörtern zu suchen, die ihr nur auf Französisch einfallen? Für Lilli steht nur eines fest: wer das Prinzip des Nachmittagskaffees kennt und aktiv unterstützt, darf sich dazuzählen. Und wer weiss, was Brezeln sind.
Lilli legt los - 3. Okt, 09:15