Wo du hingehst...

Beim traditionnellen Fingerfood-Festival, zu dem Monsieur eine Schar von Freunden (und dieses Jahr auch Freunde des grossen Strolchs) einlädt, um gemeinsam den Superbowl anzuschauen, setzt sich Lilli aufatmend zu einem Paar an den Tisch. Sie hatte den Grossteil des Nachmittags mit Gemüse schnippeln, Hähnchen panieren und Kekse backen zubebracht, jetzt kann sie vielleicht selbst was essen. Schnell kommt die Rede aufs Reisen und auf das Glück, das die Europäer haben, so zentral zu den unterschiedlichsten, aber gleichsam begehrenswerten Reisezielen zu wohnen. Der Mann erzählt, dass sie den Traum hegen, für ein paar Jahre nach Europa zu ziehen. "Nein, das ist nicht mehr unser Traum", fällt ihm da seine Frau ins Wort. "Wenn wir wohin ziehen, dann wahrscheinlich, weil ich versetzt werde, nicht du." Lilli schiesst durch den Kopf, dass Monsieur erzählt hat, dass der Mann vielleicht seine Stelle verliert, dass die Firma schliesst. Die Frau fährt fort, zu Lilli gewandt: "Ich könnte vielleicht nach Chicago gehen oder nach Toronto, dort haben wir Zweigstellen." Der Mann verzieht das Gesicht. "Ich gehe nicht nach Toronto", meint er, "Toronto sucks". "Dann geh ich allein und komm dich alle zwei Wochen besuchen", erwidert seine Frau. Sie lächelt dabei, aber Lilli hat nicht den Eindruck, dass sie scherzt. Hier ist ein Machtkampf zugange, und diese Unterhaltung findet nicht zum ersten Mal statt. "Dann kauf ich mir einen Hund", sagt der Mann und trinkt sein Rotweinglas leer. "Ich glaub, du hattest jetzt genug Wein", meint seine Frau. Lilli beisst verlegen in ihr Hühnchen.
Zwitschie (Gast) - 4. Feb, 09:07

Schwieriges Thema, Selbstverwirklichung und Rollen in der Partnerschaft!

Lilli legt los - 4. Feb, 18:36

Noch dazu am falschen Ort (vor anderen Leuten) und zur falschen Zeit (während Feierstimmung angesagt ist)... brrrr.
Zwitschie (Gast) - 5. Feb, 03:19

Ich verstehe: Du hast dir bestimmt in Erwartung der Feierstimmung viel Mühe gegeben. Da haben sich inmitten von Leichtigkeit plötzlich anderer Leute Abgründe aufgetan. Dass Gäste ihre Sorgen auspacken, kann immer mal passieren. Ist ganz menschlich, dass in angespannten Situationen nicht nur die glatte Oberfläche präsentiert werden kann. Da unterscheidet sich aber jeder in dem, was er unter Höflichkeit versteht und was er von persönlichen Kontakten erwartet.
Lilli legt los - 10. Feb, 15:19

Gut zusammengefasst. Es ist menschlich. Mir tut nur der Mann leid, der den Eindruck machte, als würde er diese Situation lieber nicht öffentlich ausdiskutieren.
Zwischie (Gast) - 12. Feb, 09:26

Wenn er aber wußte, dass seine Frau seinen Traum nicht teilt, und er ihn dennoch im Plural formulierte, dann war das auch nicht nett von ihm, sondern ebenfalls ein Weg, die Oberhand behalten zu wollen und ihr Anliegen zu ignorieren. Er brauchte das Streitthema ja nicht anzuschneiden.
... aber ich war ja gar nicht dabei...
Hat großes Identifikationspotential für mich, die Situation der Dame.
iGing (Gast) - 5. Feb, 15:06

Ich kannte mal ein Ehepaar, das stritt sich jedesmal, wenn es irgendwo eingeladen war. Ich habe mich oft gefragt wieso, dabei liegt die Antwort ja eigentlich auf der Hand: Nur wenn man den Streit öffentlich austrägt, kann man der eigenen Position mehr Gewicht verleihen, wenn es einem gelingt, die Anderen auf die eigene Seite zu ziehen; da man von der Richtigkeit der eigenen Position überzeugt ist, hält man das für ein Leichtes - und ist erbost, wenn's nicht funktioniert.

Lilli legt los - 10. Feb, 15:24

Ja, es hatte was Unfaires. Welcher Aussenstehender kann - oder will - denn zu Beziehungsproblemen sinnvoll Stellung nehmen? Das müssen die zwei wohl ganz allein hinkriegen. Gerade jetzt, wo man mit Werbung zum Valentinstag bombardiert wird!

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Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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