Samstag, 6. Dezember 2014

Das Leben ist eine Spirale

Lilli und der grosse Strolch gehen einkaufen. Er bekommt neue Jeans, Skiunterwäsche, Skistrümpfe, eine Skihose und einen Helm. Dazu brauchen sie den gesamten Nachmittag, den für jedes Teil müssen mehrere Modelle anprobiert werden - wegen der Grösse, ja, aber auch wegen des Stils, denn der ist inzwischen wichtig. Der grosse Strolch will nämlich so aussehen wie die Kumpels, aber doch ein bisschen anders, damit er sich von ihnen unterscheidet, aber doch sofort als dazugehörend erkennbar ist. Das ist eine feine Linie, deren Verlauf nur er allein kennt und den Lilli nicht verstehen kann, selbst wenn sie um Erklärungen bittet, um die Sache durch gezieltes Suchen zu beschleunigen. Die Jeans dunkel und nicht zu eng (aber auch nicht zu weit, denn das wäre noch schlimmer als zu eng), die Skihose farbig, aber nicht grün, der Helm muss schwarz sein, aber ein farbiges Element aufweisen, das zur Hose passt, usw. Nur eine Mütze finden sie nicht, obwohl der grosse Strolch mindestens zwanzig davon aufprobiert, sich lange stirnrunzelnd im Spiegel betrachtet, sie dann aber doch wieder zurück ins Regal legt. Mützen sind das allerwichtigste Stilelement, da darf man nicht danebenliegen, sonst wird man die nächsten vier Monate an der Bushaltestelle von der gesamten Menschheit (jedenfalls von denen, die wirklich zählen) verachtet werden.

"Das ist die Rache für früher, du warst nämlich genauso", sagt Lillis Mutter am Telefon ohne auch nur das kleinste bisschen Mitgefühl.

Freitag, 5. Dezember 2014

Lilli unter Gleichgesinnten

Ah, eine Fortbildung mit lauter Kommunikationsleuten über den richtigen Schreibstil fürs Internet. Drei Männer, siebzehn Frauen und alle finden es wahnsinnig interessant, über die Anziehungskraft von Verben und den unwiderstehlichen Reiz eines gut platzierten Doppelpunkts zu diskutieren. Lilli fühlt sich fast wie in einer geheimen Gesellschaft: unser Handwerk besteht darin, so zu schreiben, dass Sie nicht merken, dass da tatsächlich ein Handwerk dahintersteckt.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Die ganz normale Kälte

Beim Nachhausegehen vom Zug hatte es -10 Grad, aber gefühlte -18 Grad laut Wetterbericht. Lilli und der grosse Strolch müssen heute abend trotzdem nochmal los, zum Gitarrenunterricht. Das findet Lilli bewundernswert hier in Montréal: dass die Leute einfach ganz normal weitermachen, als wäre nichts dabei, solche Temperaturen aushalten zu müssen. Och, wenn es länger dauert, kann es schon mal sein, dass sie sich über die Kälte beschweren, aber einfach nur zuhause rumsitzen und Suppe essen kommt nicht in Frage. Die Leute gehen schwimmen, sitzen in der Uni, stehen um Kinokarten an, treffen sich im Gemeindesaal der Kirche zum Singen. Das heisst "der Kälte die Stirn bieten" - aber bitte mit Mütze und Kaputze.

Montag, 1. Dezember 2014

2015 wird ein nasses Jahr

Laufen ist schön, aber für die Arme tut es nichts. Im Sommer war Lilli schwimmen, das ist schon besser für die Arme, aber im Winter kommt dafür ja nur das Hallenbad in Frage, und das ist erstens kalt, zweitens klein und drittens trotzdem (oder eigentlich gerade deswegen) übervoll. Noch dazu hat es nur winzigkleine Zeitfenster, in dem "freies Schwimmen" überhaupt geht. Zum Beispiel Samstags von 14 Uhr bis 15 Uhr 15 oder Freitag abends von 20 Uhr 30 bis 21 Uhr 30. Die restliche Zeit ist für Kurse reserviert, und wer keinen Kurs macht, kommt nicht ins Wasser, punktum.

Ah, die Kanadier und ihre Hallenbäder. Hier nimmt man ein 25-Meter-Becken, umrandet es mit zwei Meter gekacheltem Gang und schon hat man ein Hallenbad. So Sachen wie mehrere Becken mit etwa unterschiedlicher Wassertemperatur, oder Kinderbecken und Schwimmerbecken (womöglich mit 50-Meter-Bahnen), oder auch nur ein Liegebereich, das ist Luxus. Hallenbäder sind zum Schwimmen da, nicht zum Wohlfühlen oder ähnlichem modernem Kram.

Trotzdem: Ab Januar wird Lilli schwimmen. Und den kleinen Strolch mitnehmen, der sonst gar keinen Sport machen würde. Womöglich kauft sie sich sogar eine Jahreskarte, um sich selbst zu zwingen, auch wirklich regelmässig zu gehen. Die rentiert sich nämlich erst nach dem 40. Mal.

Donnerstag, 27. November 2014

Braun und süss

Auch dieses Jahr wieder bekommen die Strolche einen Adventskalender aus Strümpfen. Für jeden Tag einen, mit einer Wäscheklammer an einer langen Leine aufgehängt und mit Schokolade gefüllt. Deshalb war Lilli vor kurzem in der Lindt-Boutique und anschliessend im 1-Dollar-Laden. Dort gibt es nämlich auch Schokolade, und zwar deutsche von Klett. Im Schnitt also ein erschwinglicher Genuss und allemal besser als das, was die Amerikaner so herstellen.

Mittwoch, 26. November 2014

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Wenn der grosse Strolch bei seinem Freund ist, fährt er mit dem Bus nach Hause. Wozu hat er schliesslich eine Monatskarte. Ganz normal ist das Verhalten aber hier in Nordamerika nicht. Hier sind die Eltern Chauffeur, weil sie davon ausgehen, dass es keinen Bus gibt - was auch oft stimmt, z.B. gibt es keinen Bus von Lilli bis zum Kieferorthopäden (seufz). Sie fahren ihre Kinder aber auch, weil man Kinder nicht allein durch die Welt irren lässt. Und sind dann froh, wenn das Kind mit 16 seinen Führerschein macht und fortan allein hin- und herfahren kann.

Der grosse Strolch aber hat eine deutsche Mutter, die, auch wenn sie Zeit hätte, ihn abzuholen, ihn mit dem Bus nach Hause fähren lässt. Weil ihm diese Selbständigkeit guttut. Allerdings muss er auf dem Weg zur Bushaltestelle durch einen finsteren Park, der jetzt im November nicht gerade von Spaziergängern und Hundebesitzern wimmelt. Was ihm da alles passieren könnte! So mutig Lilli ist - zu Weihnachten bekommt er ein Handy.

Montag, 24. November 2014

Mal was ganz Neues

Nachdem Lilli letzte Woche beim Windschutzscheibenkratzen ihre Uhr verloren und hinterher plattgefahren im Schnee wiedergefunden hat, kommt ihr ein Gedanke. "Und wenn wir dieses Jahr die Garage so weit freiräumen, dass wir das Auto darin parken können?", schlägt sie Monsieur vor. Ein revolutionärer Gedanke.

Samstag, 22. November 2014

Ohne Worte

Monsieur rastet aus. Er hat einen stressigen Tag hinter sich und dass der grosse Strolch sein Aquarium wieder einmal entgegen aller Versprechen nicht geputzt hat, kommt ihm jetzt gelegen, um auszurasten. Er tobt, flucht und schreit, der grosse Strolch weint, hinterher weint Monsieur im Schlafzimmer hinter geschlossenen Türen, weil er es bereut, sich nicht besser beherrscht zu haben.

Am Tag darauf spielen beide zusammen Gitarre, so richtig mit Verstärker und viel elektronischem Gejaule. So tun sie sich wieder zusammen.

Männer.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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