Lilli und die Ironie

Letzte Woche hatte Lillis Büro Besuch: der Personalberater, der im Beisein von Lillis Chefin ihr Vorstellungsgespräch im Juni geführt hatte, schaute auf einen Sprung vorbei. Mit seinem Rucksack und seinem gestreiften Schal sah er aus wie der kleine Prinz mit 19, und genauso unbefangen warf er Lilli über das gesamte Großraumbüro hinweg die Bemerkung zu, dass er doch einmal sehen musste, ob sie tatsächlich noch da war oder ob sie den Job bereits wieder geschmissen hätte. Dass er mit dieser ironisch gemeinten Frage fast ins Schwarze getroffen hätte, da Lilli in den ersten Wochen tatsächlich näher an der Kündigung dran war als Bella an ihrem Edward (Twilight, irgendwer?), konnte er zwar nicht ahnen, hätte er aber trotzdem als Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen. Ironie darf in der rhetorischen Palette eines Personalberaters eigentlich nicht existieren, wenn er und seine Ratschläge ernst genommen werden möchten. Natürlich darf er auch nicht aussehen wie 19, aber dafür kann er nun wirklich nichts. Lilli jedenfalls lächelte nur schief und meinte mit einem schrägen Blick auf ihre Chefin, dass es ihr jeden Tag besser gefalle. Dass sie noch lange nicht davon überzeugt ist, die richtige Person für den Job zu sein, behielt sie hübsch für sich. Infragestellungen dieser Art stehen erst zwischen Weihnachten und Neujahr auf dem Kalender.
muellerto - 19. Nov, 02:18

Ich hab auch mal einen Job begonnen, bei dem man mich merkwürdigerweise fast täglich fragte, ob es mir gefalle, ob ich mir vorstellen könnte, das länger zu machen, ob ich mich wohlfühle usw. Das kam mir fast schon komisch vor. Bis ich erfuhr, dass der Vorige, den sie engagiert hatten, mehr oder weniger entnervt schon nach drei Wochen aufgegeben hatte, es sei nichts für ihn, er habe sich das alles ganz anders vorgestellt, er sei eigentlich Geograf, nicht Programmierer usw.

Lilli legt los - 19. Nov, 16:53

Ein schreckliches Gefühl,

sich wie ein Hirsch im Aquarium zu fühlen! Und dann die "Schmach" hinnehmen müssen, jemand zu sein, der gleich wieder das Handtuch schmeisst... sowas möchte man weder im Lebenslauf haben noch seinen Kindern als Vorbild bieten. Manchmal wundere ich mich, wie wenig man doch über die Realität des Jobs im Vorstellungsgespräch erfährt, trotz Tests und Rollenspiel und allem.

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Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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