Das Kreuz mit der Religion

Obwohl Lilli nicht katholisch ist, muss sie mit dem großen Strolch seit kurzem zum Kommunionsunterricht. Dieser neigt sich nach drei Jahren endlich dem Ende zu und verlangt für die letzten vier Unterrichtseinheiten vor der ersten Kommunion die Anwesenheit eines Elternteils. „La grande Halte“ werden diese vier Stunden pompös genannt und sind dabei so langweilig aufgezogen, dass Lilli nur innerlich den Kopf schüttelt. Da improvisieren sich ungelenke Helfer als Schauspieler, die ihre drei Zeilen über den König David von einem Spickzettel ablesen müssen. Da werden mühsame symbolische Bögen geschlagen, um von „Brot“ zu „Nahrung für den Körper-Nahrung für die Seele-Jesus ist die Nahrung unserer Seele-er opfert seinen Leib-deshalb gibt es beim Abendmahl Brot“ zu gelangen. Da scharren ungeduldige Füße auf dem nackten Boden des neonbeleuchteten Gemeinschaftsraumes der Kirche, der nicht mehr als ein nüchterner Keller ist und so einladend wie ein…. Kirchenkeller. Gegen Ende wird von den Eltern und Kindern verlangt, dass jeder spontan einen Satz zu einem improvisierten Gebet zusteuert, was alle bis auf eine Mutter, die die lastende Stille wohl nicht aushält, verbissen verweigern. Lilli fängt Blicke anderer Eltern auf, die alle heimlich fragen, wann diese Tortur wohl endlich zu Ende ist… Und dann fällt Lilli ein Satz ein, den sie bei einem Hockeyturnier auf ein Schild gesprüht entdeckt hat: „Sie dürfen so oft über die Organisation des Turniers meckern wie die Anzahl der Stunden, die sie freiwillig daran mitgearbeitet haben“. Also los, Lilli: wenn du den Zirkus in zwei Jahren mit dem kleinen Strolch nicht noch mal mitmachen möchtest, weisst Du jetzt, was du zu tun hast!
muellerto - 23. Feb, 01:28

Entschuldigung, aber ... die Frage ist auch: warum schicken Sie Ihr Kind dorthin? (Sie müssen nicht antworten.) Ich finde, die Vereinahmung junger Menschen durch das Christentum ist durchaus kein Spass. Man stellt üblicherweise die "guten" Sachen in den Vordergrund, die Gemeinschaft, die Wärme, die Zuversicht, den Halt. Aber das ist nur eine Seite. Die andere besteht nicht unwesentlich aus Furcht und Selbstverleugnung. - Wenn einer den Schritt machen will, er selbst für sich, dann sollte er 18 sein (besser 30) und es aus eigenem Entschluss tun, find ich. Vorher ist es ein durchaus nicht folgenloser Eingriff in die persönliche Freiheit des Individuums.

P.S.: Die Psalmen Davids sind ein gutes Beispiel. Die sind nämlich beileibe nicht leuchtend.

Lilli legt los - 24. Feb, 11:28

Ja, der Platz der GottesFURCHT in der katholischen Kirche... das ging ja schon Luther gegen den Strich! Und kommt bei uns als bireligiösem Paar (sagt man das?) auch immer mal wieder auf den Tisch (zusammen mit dem Marienkult, dem Heiligenkult überhaupt, dem Niederknien, dem Papst!). Trotzdem wachsen die Strolche IN der Religion auf, wie sie auch beim Stillen die Abwehrstoffe der Muttermilch mitgekriegt haben - natürlich können sie später selbst entscheiden (tut das nicht jeder sowieso?), welchen Platz die Religion in ihrem Leben einnimmt. Keine einfache Elternentscheidung, wenn man mal in Betracht zieht, wie öde der Kommunionsunterricht ist!
tpl - 23. Feb, 07:39

mir wurden keine zwei jahre pause gegönnt ;)
(haben sie, haben sie?)

Lilli legt los - 24. Feb, 11:34

Ha, wer spricht von Pause? Der Kommunionsunterricht ist auf drei Jahre angelegt, der grosse Strolch ist jetzt fast damit durch, aber der kleine Strolch hat erst letzten September damit angefangen. Es werden also noch mehrere Weihnachtsbazar-Geschenk-einpack-Aktionen und spezielle Gottesdienste anstehen, bevor der kleine Strolch dann 2012 den Meilenstein der "grande Halte" erreicht. Aber wer weiss, bis dahin haben sich die vier letzten Stunden vielleicht in einen tollen Fackelumzug verwandelt oder in eine Nachtwanderung mit Lagerfeuer...
chamäleon123 - 23. Feb, 10:12

Sie auch, Frau Lilli? Ich auch.
Der Hockey-Spruch ist aber gar nicht schlecht. Also lasse ich das Lästern....

Lilli legt los - 24. Feb, 11:35

Sie auch? Das ist aber tröstend... Falls Sie aber irgendwo eine Idee aufschnappen, wie das Ganze etwas aufregender gestaltet werden könnte - her damit!
Nachtgezwitscher - 24. Feb, 15:42

Lieber Himmel, drei Jahre... Bei mir war's weniger als eins. Aber superinteressant zu hören, wie das so ist... Und ich finde es schon richtig, dass man sich nach der Mehrheit orientiert. Nur, wenn du als Mutter skeptisch bist, dann versteck das nicht vor deinem Kind... Deine Textchen erinnern mich so stark an meine Mutter. Wobei das gar nicht heißt, dass du so bist wie sie. Ich wurde bis zum Alter von 13 Jahren jeden Sonntag in die Kirche gezwungen. Als ich dann nach langen Kämpfen durchsetzte, dass ich nicht mehr gehen musste, ging meine Mutter plötzlich auch nicht mehr. Das fand ich so enttäuschend. Nur um der Erziehung willen in eine Glaubensveranstaltung geschleppt zu werden, und noch nicht mal zu wissen, was die Erzieher wirklich denken... Glaube ist doch so etwas wichtiges und persönliches. Liebe Lili, jetzt hab ich hier gleich zweimal meine Meinung stark kundgetan, weil mich deine Texte an Situationen in meinem Leben erinnerten. Wie gesagt, Mutter bin ich nicht.

Lilli legt los - 26. Feb, 18:38

Meinungen sind hier immer willkommen, liebes Nachtgezwitscher!

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Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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