Haarige Angelegenheit

James Hyndman ist ein grosser Schauspieler. Also gross im Sinne von stattlich, über zwei Meter, breite Schultern, markantes Gesicht, eine Stimme wie mousse au chocolat. Dass er dazu selbstbewusst eine spiegelnde Glatze trägt, fällt erst auf den zweiten Blick auf, ist aber im Hinblick auf seine ansonsten sehr eindrucksvolle Präsenz völlig zweitrangig. Lilli kennt ihn als alkoholsüchtigen Chirurg, als cholerischen Chefredakteur einer Frauenzeitschrift und als Don Juan, für den er sich auf der Bühne direkt vor Lilli splitternackt auszog. Wenn er nicht gerade spielt, spricht er Werbespots für Autos und Kreditkarten (hey, wir sind nur eine kleine Provinz, da kommt kein Schauspieler nur durch seine Kunst auf einen grünen Zweig). Jetzt aber kommt's: seit kurzem ist er in einem Werbespot für Shampoo zu hören - während die Dame auf dem Bildschirm ihre glänzenden Haare von einer Schulter auf die andere wirft und die Hand durchgleiten lässt, als handele es sich um teuerste chinesische Seide, ersteht vor dem inneren Auge James Hyndman mit seinen breiten Schultern, seinen vollen Lippen, seinem spöttischem Blick... und seiner Glatze. Da kann er noch so eine cremig-zartherbe Stimme haben, für Shampoowerbung ist James Hyndman eindeutig eine Fehlbesetzung. Manchmal, denkt Lilli, denken die Werbeleute aber auch rein gar nichts...
yonosequepasara - 21. Mai, 02:51

Man sieht: frau ist vom Fach!
Geht mir auch oft so. Und diese Dinge bemerken die "gemeinen" KundInnen zumindest unterbewusst. Sie können es nicht benennen, aber es stört sie was.

Wir haben das "Pech", dass uns sowas ins Auge sticht wie ein Nackerter am Hauptplatz zur Mittagszeit.

Lilli legt los - 21. Mai, 18:37

Dass sowas aber den ganzen Entstehungsprozess übersteht, ohne dass mal Einer (oder Eine) mit dem Kugelschreiber wackelt und sagt: Äh, halt mal, mir ist da grad was aufgefallen...

Und bei Ihnen steht also ein Nackerter am Hauptplatz? Mein Vater rezitierte immer "Da steht ein Nackerter am Wilhelmsplatz", wohl die erste Zeile eines Gedichtes oder Liedes aus der Nachkriegszeit, mit österreichischem Akzent - wissen Sie vielleicht, worum es da ging?
yonosequepasara - 22. Mai, 05:06

Einmal abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass die Sprecherstimme am Anfang festgelegt wurde: Sie würden sich wundern, was alles übersehen wird.

Gerade eben selbst erlebt bei einem Plakat, das den Auftritt unserer Band bewerben soll: Oben quer über die ganze Breite das Datum: "9. Mai" Der Auftritt findet aber am 29. Mai statt. Aufgefallen ist es uns, weil wir zufällig einen Vorentwurf zu sehen bekamen...

@ Nackerter: Sorry, ich habe KEINE Ahnung. Nachdem Kaiser Wilhelm ein Duetscher war, tendiere ich zur kühnen Annahme, dass es sich nicht um einen Platz in Österreich handelt...
Lilli legt los - 24. Mai, 11:47

Der Nackerte ging mir im Kopf herum...

bis ich schliesslich draufkam: er kommt ins Wiener Café Hawelka, nicht auf den Wilhelmsplatz! Und es ist auch kein Nachkriegslied, sondern Georg Danzer aus dem Jahr 1975. Was Kindererinnerungen manchmal mit einem anstellen...

Und was wiederum das falsche Datum auf dem Plakat anging: manchmal ist es ja so, dass man etwas um so eher übersieht, je grösser es ist...
Nachtgezwitscher - 21. Mai, 16:11

*kicher*

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Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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