Strolche

Freitag, 21. November 2008

Ich schenk Dir was

Manchmal nehmen Freunde den großen Strolch zu irgendeiner Aktivität mit, zu der Lilli keinen so rechten Zugang hat, z. B. zu La Ronde, einem Vergnügungspark auf einer Insel im Sankt-Lorenz-Strom, wo man sich für viel Geld verschaukeln lassen kann, bis einem schlecht wird. Und manchmal nimmt Lilli den Sohn der Freunde mit, um ihm eine Welt zu offenbaren, in die seine Eltern keine zehn Pferde bringen würde. So war Lilli mit drei kleinen (und doch schon so großen) Jungs diese Woche im Theater, um „Nebbia“ zu sehen, ein Gemisch aus Zirkusvorstellung und Theaterstück. Kein Kindertheater im Gemeindesaal der Kirche, in dem Reihen von Klappstühlen aufgestellt sind, und auch kein Stück speziell für Kinder, sondern ein richtiger großer Saal in Montréal, mit Balkon, roten Plüschsesseln und einem Vorhang mit dicken Falten. Der Junge saß mit aufgerissenen Augen ganz vorn auf seinem Sessel und sog das Geschehen auf der Bühne in sich ein, als hätte er einen eigens dafür gemachten Strohhalm. Eine tiefe Verwunderung erfüllte Lilli da plötzlich, dass das Leben manchmal so ist, dass es einen unvermutet etwas schenken lässt, was sowohl den Beschenkten als auch den Schenker sehr bereichert.

Donnerstag, 20. November 2008

Pirouette statt Spagat

Spagat hat sie keinen gemacht, die Lehrerin, sondern die Schuld ganz elegant auf die Aushilfe geschoben, die seit September zwei Tage die Woche da war und „einen anderen Unterrichtsstil hatte als ich“. Jetzt ist aber eine neue Aushilfe da, die demnächst so richtig aufräumen wird mit der Schluderei und dem Geschwatze. Schule – eine Maschine, die morgens unsere Kinder schluckt, sie tagsüber langsam durchkaut und nachmittags mehr oder weniger verdaut beleckt wieder ausspuckt. Obwohl die Kinder viel davon erzählen, was darin passiert, bleiben die genauen Vorgänge in den Klassenzimmern für Eltern doch unerschließbar.

Dienstag, 18. November 2008

Eindeutig zweideutig

Der kleine Strolch hat seine erste Beurteilung (Zeugnis kann man das nicht nennen, sonst müssten ja Noten drinstehen) bekommen: ob es sich nun um die Kategorie „Texte lesen und Fragen nach dem Inhalt korrekt beantworten“ oder „mathematische Zusammenhänge verstehen und mit Symbolen wiedergeben“ handelt, hat seine Lehrerin die Beurteilung „der Schüler macht die vorhergesehenen Fortschritte“ angekreuzt. Uff, welche Erleichterung. Als Lilli allerdings seine Arbeitsproben durchblättert, fallen ihr fast die Augen aus dem Kopf: hingeschluderte Zeichnungen, dreimal wegradierte Lösungsansätze, falsch verstandene Fragen, nicht zu Ende geführte Aufgaben. Dafür hätte es mindestens ein „der Schüler hat Schwierigkeiten, dem Stoff zu folgen“ geben müssen, wenn nicht sogar ein „der Schüler ist entweder faul oder strohdumm“. Jetzt wartet Lilli gespannt darauf, wie die Lehrerin diesen Widerspruch bei der morgigen Besprechung erklären wird. Einen Spagat wird sie dafür schon hinlegen müssen.

Freitag, 14. November 2008

Eine Frage des Timings

Manchmal bin ich es leid, immer das erzieherische Vorbild sein zu müssen. Zum Beispiel, wenn die Strolche am morgens hektisch in die Küche geflitzt kommen und mir ein Heft zur Unterschrift hinhalten, während sie mit der anderen Hand versuchen, sich den zweiten Strumpf anzuziehen. Und ich mich dann sagen höre, dass ich morgens nichts unterschreibe, weil ich mir das zu Unterschreibende gerne in Ruhe durchlesen möchte und dazu nun mal in all der morgendlichen Hektik keine Zeit ist. Dann ziehen sie murrend wieder ab und finden ihre Mutter blöd.

Aber irgendeiner muss ja schließlich die Mutter sein. Ich frage mich nur, ob ich irgendwann auch einfach ihre Freundin sein kann. Bevor ich dann zum lästigen Sonntagnachmittag-Pflichtbesuch werde, versteht sich. Also so ein kleines Zeitfenster wünsche ich mir, in dem ich dann meinen Kindern von Mensch zu Mensch gegenüberstehe und mit ihnen lache, diskutiere oder einfach nur ins Kino gehe, ohne mir dabei Gedanken machen zu müssen, ob sie das nun fürs Leben prägt oder nicht.

Donnerstag, 13. November 2008

Lilli auf der Hut

Beim kleinen Strolch kann man nie vorsichtig genug sein, und jahrelange Erfahrung hat Lilli gelehrt, dass kein noch so harmlos wirkendes Detail unterschätzt werden darf. Das neueste Beispiel: der kleine Strolch kramt in der Küchenschublade herum, bis er den garantiert wasserfesten schwarzen Filzstift findet, mit dem Lilli ihre Tiefkühldosen beschriftet. Dann zieht er damit in Richtung Wohnzimmer ab. Lilli wirft sich ihm auf der Türschwelle entgegen und stellt ihn zur Rede: „Kleiner Strolch, was hast du nur mit dem Filzstift vor?“ Antwort: „Ich will den Ball auf das große Fenster werfen und male mir dafür eine Zielscheibe auf den Vorhang.“ Als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre…

Dieses Kind wird es noch einmal weit bringen.

Donnerstag, 6. November 2008

Photo-Finish

Eltern machen gerne Kinderphotos. Also Photos von den eigenen Kindern, nicht von Kindern allgemein, Kindern in Entwicklungsländern oder etwa den ungezogenen Sprösslingen der Nachbarn, denen immer die Nase läuft. Nein, sie photographieren ausschließlich die eigene Brut und können davon nicht genug kriegen. Sie kleben die Bilder in Alben, hängen sie gerahmt an die Küchenwand, stellen sie auf den Schreibtisch oder tapezieren den Treppenaufgang damit. UND DAMIT SOLLTE ES GENUG SEIN. Solange die Photos das eigene Haus nicht verlassen, ist alles genehmigt. Für diese Manie aber, mit Photos auch Alltagsgegenstände wie Kaffeetassen und Kalender zu schmücken und diese dann zu verschenken, fehlt Lilli jedes Verständnis. Im Fitnessstudio z. B. sieht Lilli regelmäßig einen Opa, der gleich vier Babyphotos auf dem T-Shirt durchschwitzt, hat sich aber noch nicht nah genug herangetraut, um herauszufinden, ob es sich hierbei um vier verschiedene Enkel oder Variationen des gleichen Bengels handelt. Und eine frühere Kollegin von Lilli war tief beleidigt, als ihre Mutter ihr schonend beibrachte, dass sie nun genug Bilderrahmen hätte und keine neuen mehr bräuchte. „Aber nicht die Bilderrahmen sind doch das Geschenk, sondern die Photos darin!“, erwiderte die Kollegin entrüstet. Monsieur hat nur ein Wort dafür: aufdringlich. Deshalb sitzt Lilli jetzt auch etwas beschämt vor dem Serviertablett, das sie am Wochenende noch so originell fand, dass sie es auf der Stelle kaufen musste. Unter seiner Glasfläche befindet sich ein Passepartout, in das man sechs Photos stecken kann, und wenn man es etwas künstlerisch anstellt und die Bilder vielleicht in Schwarz/Weiß ausdruckt oder in Sepia, ist das Ergebnis bestimmt so entzückend, dass Oma und Opa in Deutschland einfach nicht anders können, als begeistert in die Luft zu springen… Ja, ja, Lilli ist schwach, ganz schwach. Sie weiß es selbst und lässt den Kopf entmutigt auf die Tastatur sinkenehgufyduitkdhtfjnbjfbvughriuhfjgjffdkghi.

Montag, 3. November 2008

James Bond hat einen neuen Gegner

Der kleine Strolch hüpft aus seinem Versteck hervor und tut wichtig: „Ici l’agent 007!“
Der große Strolch erwidert ebenso wichtig: „Ici l’agent Mucksmäuschen!“
Dann schütten sich die Beiden aus vor Lachen über das komische Wort, bis sie erschöpft auf dem Boden liegen.

Unser allabendliches deutsches Vorlesen scheint also doch nicht ganz spurlos an ihnen vorüberzugehen…

Freitag, 31. Oktober 2008

Halloween - so richtig zum Fürchten

Die Schule der Strolche ist ja soo cool – natürlich dürfen die lieben Kleinen Halloween feiern, schließlich ist das ein gut nordamerikanisches Fest und sie haben ja so viel Spaß dabei! Die Schulleitung bittet nur darum, dass ein paar Regeln eingehalten werden, nicht wahr, damit Halloween für alle ein rundum positives Erlebnis wird! Wir wollen doch nicht die etwas sensibleren Gemüter fürs Leben zeichnen. Außerdem sind wir eine umweltbewusste Schule, die blinden Konsum ablehnt. Deshalb müssen die Kostüme der Kinder die folgenden Bedingungen erfüllen:

- ein selbstgemachtes, wiederverwertetes oder umgearbeitetes Kostüm (kein gekauftes 08/15-Ding von Walmart),
- ein sicheres Kostüm (nicht zu lang, keine abstehenden, herunterhängenden oder harten Teile, nicht zu warm, nicht zu kalt),
- keine Masken (Erstickungsgefahr! Außerdem engen Masken das Sichtfeld ein, was beim Überqueren der Straße schlimme Folgen haben könnte),
- kein Blut (weder echtes noch geschminktes),
- keine gewaltverherrlichenden Accessoires,
- keine Waffen (Säbel, Schwert, Degen, Messer, Gewehr, Pistole, Axt, Peitsche, Seil, Sense usw.).

Ach ja, und Bonbons oder andere Süßigkeiten dürfen natürlich auch weder auf dem Schulgelände noch im Schulgebäude verzehrt werden – ist doch so schlecht für die Zähne.

Kann mich bitte jemand daran erinnern, worum es noch mal geht bei Halloween?

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Die Wahrheit über Schulphotos

Die Schule der Strolche lädt jedes Jahr einen Photographen ein, der alle Kinder reihum vor kitschigem Hintergrund ablichtet und die Photos dann – von Poster- bis Geldbeutelformat, auf Schlüsselanhängern, Kaffeetassen und Mousepads – für teures Geld an die Eltern verkauft, die diese dankbar zu Weihnachten an Begeisterung heuchelnde Verwandte weiterverschenken. Lilli hat diese Photos noch nie genommen, da sie stets unnatürlich wirken und mit den Strolchen, wie sie sie kennt, nur wenig gemeinsam haben. Dieses Jahr sind sie besonders befremdend, denn jemand muss dem kleinen Strolch gesagt haben, er solle den Mund zulassen, damit man seine Zahnlücke nicht sieht. Jetzt lachen nur seine Augen, während die Lippen einen dünnen Strich bilden und sein ganzes Gesicht nur danach schreit, endlich mit dieser Tortur aufzuhören. Ein 7-Jähriger ohne Zahnlücke – das ist wie ein Märchen ohne böse Fee, ein Krimi ohne Gangster… ein schwacher Abklatsch nur der wahren Sache, der die Leser kalt lässt.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Das Theater mit den Winterklamotten

Eine genervte Mutter erzählte mir gestern auf dem Schulweg, dass sie sooo schöne Skianzüge für ihre Kinder gekauft hätte, in einem dieser exklusiven Sportgeschäfte, mit Mützen und Handschuhen und allem passend, und dass sie leider zu klein seien. Also zurückbringen und weitersuchen, diesmal bei Orage, was ja auch eine gute Marke sei, und in Begleitung der Kinder, die bei diesem Gedanken sofort missmutig die Gesichter verzogen und bettelten, doch lieber zuhause bleiben zu dürfen. Komisch – das Problem haben wir nicht... Die Strolche gehen liebend gerne mit mir Klamotten kaufen. Und zwar in einem Billigladen, der nicht nur Hosen mit verstellbarem Gummiband in der Taille und andere vernünftige Sachen ohne Schnickschnack (und ohne Logo) hat, sondern auch… eine Spielecke mit Fernseher, in der die Strolche solange rumlümmeln können, bis ich sie zur Anprobe in die Kabine schiebe. Hach, wie ist das Leben doch manchmal unkompliziert, wenn man sparen muss!

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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