Strolche
Der kleine Strolch hat manchmal sehr kreative Momente, vor allem dann, wenn der große Strolch nicht greifbar ist. So hat er am Wochenende eine Reihe von Comics produziert, in denen ein Punkkind und eine Punkmutter mit gepiercten Lippen miteinander kommunizieren – „auf die einfachste Art“, wie in jedem Titel extra angegeben war. Hier seine Tipps, die trotz ihrer Knappheit (oder gerade dadurch) einen vielsagenden Einblick in seine zarte Kinderseele geben.
„Wie man seinem Kind am einfachsten sagt, dass es mit dem Videospiel aufhören soll“ (Punkkind sitzt vor dem Bildschirm, auf dem ein Totenkopf zu sehen ist, Punkmutter steht daneben):
Punkmutter: Hör mit dem Videospiel auf.
Punkkind: OK, Mam.
„Wie man seinem Kind am einfachsten sagt, was es zum Essen gibt“ (Punkkind und Punkmutter sitzen gemeinsam am gedeckten Tisch):
Punkkind: Was gibt es zum Essen?
Punkmutter: Hackfleischauflauf.
„Wie man seinem Kind am einfachsten sagt, dass es essen soll“ (Punkkind sitzt vor dem vollen Teller, Punkmutter steht daneben):
Punkkind: Ich mag das nicht.
Punkmutter: Iss.
So was hebe ich natürlich auf, um ihm später mal eins damit auszuwischen. An seiner Hochzeit vielleicht, oder bei der Feier nach der Oscar-Verleihung. Aber einem Psychologen zeige ich das lieber nicht.
Lilli legt los - 8. Okt, 09:30
Der kleine Strolch stellt manchmal große Fragen: ob er wohl mal in der Zeitung stehen wird? Wen er später heiraten wird? Und ob sein Name wohl jemals in den Petit Larousse illustré aufgenommen werden wird, da, wo die Könige und die Künstler alle stehen? Und ich hatte mir kürzlich noch vorgenommen, ihn zum Augenarzt zu schleppen, um seine Sehschärfe kontrollieren zu lassen. Mit seiner Weitsicht scheint er jedenfalls keine Probleme zu haben.
Lilli legt los - 6. Okt, 09:33
In der Klasse des großen Strolchs gibt es eine Neue, die drei Wochen vor Schulbeginn aus Algerien angekommen ist. Mit einem nur schlecht verhüllten Anflug von Ärger fragt die Mutter die Lehrerin beim Elternabend, ob der Lehrstoff demnächst vielleicht etwas anspruchsvoller werden würde, denn ihre Tochter langweilt sich in der Klasse zu Tode. „Das Programm der vierten Klasse hier scheint höchstens dem der dritten Klasse der französischen Schule in Algerien zu entsprechen“, behauptet sie vorwurfsvoll. In Lilli kriecht Unwohlsein hoch: am Elternabend ein Einzelschicksal zu diskutieren, das dann alle Anwesenden anhören müssen, ist immer unangebracht. Außerdem ist es anmaßend, zu verlangen, dass sich das kanadische Schulprogramm am französischen orientiert – wir sind hier nun mal nicht in Frankreich! Ein Fehler, den Einwanderer immer wieder machen. Was Lilli aber ganz besonders stört, ist diese Arroganz, mit der ein Neuankömmling fordert, dass sich die Gesellschaft an ihn anpasst – sollte das nicht genau andersrum geschehen? Lilli jedenfalls kam mit einer etwas bescheideneren Haltung hier an damals, was wahrscheinlich genau der Grund ist, warum sie hier auf viele offene Herzen gestoßen ist.
Andererseits hat sie natürlich Recht, die Gute: was den Kindern hier in Klasse 1 bis 3 an Wissen vermittelt wird, ist ein Klacks…
Lilli legt los - 1. Okt, 09:36
Es ist soweit: Lilli feiert heute den tausendsten Besucher ihres Blogs, was ihr trotz fehlenden Morgenlaufs ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Damit auch die werten Leser was zum Lächeln haben, kommt hier wie versprochen das lustigste (oder das am besten missratene) Bild des Sommers:
Vielen Dank für's Mitlesen und Kommentieren - ich freue mich schon auf die nächsten Tausend!
Lilli legt los - 30. Sep, 13:12
An einem Tag Ende Juni, in einem Ferienhaus am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms, haben die Strolche fünfmal gebadet, sind nur mit Badehose und Crocs (einmal orange, einmal grasgrün) bekleidet auf großen schroffen Steinen herumgeklettert, haben zu zweit ein kleines Fischchen gefangen, Erdbeeren gegessen, ein Feuer gemacht, darin herumgestochert, Würstchen gegrillt und mit Monsieur Gitarre gespielt. Abends sind sie auf einem Liegestuhl in eine Decke gewickelt unter dem Sternenhimmel eingeschlafen. Gestritten haben sie kein einziges Mal, noch nicht einmal darum, wer das Fischchen mit den bloßen Händen anfassen und wieder freilassen durfte. Und Lilli hat sich vorgenommen, nicht zu vergessen, diesen Tag später unter „bester Tag des Sommers 2008“ abzulegen.
So. Ist hiermit geschehen.
Lilli legt los - 23. Sep, 09:49
Monsieur kommt mit vollen Armen nach Hause: er hat es nicht nur geschafft, drei DVDs zum Preis von zweien auszuleihen, sondern obendrein noch die „Journal de Montréal“ umsonst bekommen. Dabei handelt es sich um eine Tageszeitung, die Monsieur zwar zu kaufen ablehnt, da Blut daraus tropft, sobald man sie etwas zu schräg hält, die er aber natürlich trotzdem ab und zu genüsslich liest. „Was will man mehr“, grunzt er zufrieden und eher rhetorisch in die Runde, aber auch darauf hat der kleine Strolch eine Antwort: „Kaugummi?“
Lilli legt los - 5. Sep, 08:49
Gestern war ich noch Aufsichtsperson im Skatepark und fühlte mich untergenutzt, heute bin ich nur noch Begleitpersonal bis zum Schultor und fühle mich leer. Was sich zuerst schlecht anfühlte, inzwischen aber ganz gut. Was leer ist, kann schließlich neu gefüllt werden, wer weiß womit.
Lilli legt los - 29. Aug, 10:07
gibt es nicht, genauso wenig wie knitterfreies Leinen oder ein geruchloses Knoblauchbrot. Deshalb – dies nur als Nachtrag zu meinem Frust über das stundenlange „Parken“ der Kinder vor Bildschirmen, das manche Eltern praktizieren, da die Spiele doch so lustig und lernfördernd zugleich und die Kinder überhaupt ganz wild darauf sind – gibt es auch keine Kinder, die nicht ab und zu Krach machen, schmutzen, Gegenstände zerbrechen, unbequeme Fragen stellen und überhaupt kostbare Zeit beanspruchen, die diese Leute nicht bereit sind, in ihren Nachwuchs zu investieren.
So, und jetzt muss ich los, heute gibt’s hier eine Schlammschlacht.
P.S.: Wetten, dass mir dieser Titel ein paar neue Besucher einfängt? Für heute wenigstens…
Lilli legt los - 14. Aug, 11:42
Eltern sind wie Pfirsiche: es gibt solche und solche. Es gibt die, die zu hart sind, und die, die beim kleinsten Druck nachgeben. Und dann gibt es natürlich noch diejenigen, die genau richtig sind und nichts als Freude und Genuss bereiten… aber man sieht es ihnen nicht an, zu welcher Kategorie sie gehören. Erst, wenn es zu spät ist, d.h. wenn es kein Zurück mehr gibt, stellt sich heraus, was für ein Früchtchen man sich da eingefangen hat. Zum Beispiel diese Mutter zweier Jungs, die Lilli vor kurzem mit den Strolchen besuchte:
Die vier Jungen waren den ganzen Abend nicht zu hören gewesen, da es in diesem Haus ein Spielzimmer gibt, in dem es von elektronischem Spielzeug (XBox, Gamecube und wii sie alle heißen) nur so wimmelt. Da solcherlei Spielzeug den Strolchen von Lilli und Monsieur heimtückisch vorenthalten wird, stürzen sie sich darauf wie ein Verdurstender auf ein Glas Apfelschorle, sobald sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Nach drei Stunden wurde es Lilli dann aber doch zu viel, und beiläufig schlenderte sie ins Spielzimmer, um den Vieren (glasige Augen, fahrige Bewegungen, ausdruckslose Gesichter) vorzuschlagen, jetzt doch mal was ganz anderes zu spielen. Besonders der älteste Junge des Hauses, schon fast 12 und ernst hinter seinen Brillengläsern, machte den Eindruck, als sei er direkt erleichtert, endlich mal davon ablassen zu können. Bald schon wurden Schubladen aufgerissen, Autos über den Fußboden geschoben, Legos mit dem ihnen eigenen hohen Klirren ausgeschüttet. Nach etwa 10 Minuten kam die Mutter angeeilt und meinte mit fröhlicher Stimme, in der Lilli trotz allem eine panische Note zu hören glaubte, dass es jetzt doch an der Zeit wäre, einen schönen Film anzusehen, nicht wahr? „Sonst hab ich ständig Angst, dass hier noch was passiert!“, fügte sie noch wohlwollend/besorgt hinzu, als die Kinder nicht gerade in Begeisterungsstürme ausbrachen. Lilli und der große Junge sahen sich über den Legohaufen hinweg betreten an. Mann, fast hätten sie es geschafft, dass hier mal was passiert, so richtig in echt und für wirklich…
Lilli legt los - 12. Aug, 10:21
Als ich klein war, konnte ich die Schritte meines Vaters im Treppenhaus erkennen. Ich wusste schon lange, bevor ich ihn sah oder sprechen hörte, dass er es war, der da in diesem Rhythmus und dieser Lautstärke die Stufen bearbeitete. Mit Monsieur geht mir das ähnlich – auch ihn kann ich an der Schwere und Frequenz der Schritte auf unserer Holztreppe ausmachen. Dachte ich zumindest, bis ich heute morgen den Kopf wandte und nicht Monsieur, sondern der große Strolch im Türrahmen erschien. Ist gerade mal neun Jahre alt und „klingt“ schon wie sein Vater… Ich frage mich, ob das auch bei adoptierten Kindern passieren kann.
Lilli legt los - 6. Aug, 10:28