Strolche

Montag, 8. Dezember 2014

Wunschzetteldilemma

Was der grosse Strolch zu Weihnachten will:
Ein Handy (am besten eins, mit dem er auch Musik hören kann). Er ist bereit, sich an den monatlichen Kosten zu beteiligen.
Kopfhörer für sein Handy (falls es Musik spielen kann).
Lautsprecher für sein Handy (falls es Musik spielen kann).
Eine iTunes-Karte (falls sein Handy Musik spielen kann).

Was der kleine Strolch zu Weihnachten will:
"Nichts. Ich bin wunschlos glucklich. Das, was ich wirklich will, bekomme ich ja sowieso nicht."

Was er wirklich zu Weihnachten will:
Eine PS4.
Die Erlaubnis, online mit seinen Freunden zu spielen, und Skype.

Samstag, 6. Dezember 2014

Das Leben ist eine Spirale

Lilli und der grosse Strolch gehen einkaufen. Er bekommt neue Jeans, Skiunterwäsche, Skistrümpfe, eine Skihose und einen Helm. Dazu brauchen sie den gesamten Nachmittag, den für jedes Teil müssen mehrere Modelle anprobiert werden - wegen der Grösse, ja, aber auch wegen des Stils, denn der ist inzwischen wichtig. Der grosse Strolch will nämlich so aussehen wie die Kumpels, aber doch ein bisschen anders, damit er sich von ihnen unterscheidet, aber doch sofort als dazugehörend erkennbar ist. Das ist eine feine Linie, deren Verlauf nur er allein kennt und den Lilli nicht verstehen kann, selbst wenn sie um Erklärungen bittet, um die Sache durch gezieltes Suchen zu beschleunigen. Die Jeans dunkel und nicht zu eng (aber auch nicht zu weit, denn das wäre noch schlimmer als zu eng), die Skihose farbig, aber nicht grün, der Helm muss schwarz sein, aber ein farbiges Element aufweisen, das zur Hose passt, usw. Nur eine Mütze finden sie nicht, obwohl der grosse Strolch mindestens zwanzig davon aufprobiert, sich lange stirnrunzelnd im Spiegel betrachtet, sie dann aber doch wieder zurück ins Regal legt. Mützen sind das allerwichtigste Stilelement, da darf man nicht danebenliegen, sonst wird man die nächsten vier Monate an der Bushaltestelle von der gesamten Menschheit (jedenfalls von denen, die wirklich zählen) verachtet werden.

"Das ist die Rache für früher, du warst nämlich genauso", sagt Lillis Mutter am Telefon ohne auch nur das kleinste bisschen Mitgefühl.

Donnerstag, 27. November 2014

Braun und süss

Auch dieses Jahr wieder bekommen die Strolche einen Adventskalender aus Strümpfen. Für jeden Tag einen, mit einer Wäscheklammer an einer langen Leine aufgehängt und mit Schokolade gefüllt. Deshalb war Lilli vor kurzem in der Lindt-Boutique und anschliessend im 1-Dollar-Laden. Dort gibt es nämlich auch Schokolade, und zwar deutsche von Klett. Im Schnitt also ein erschwinglicher Genuss und allemal besser als das, was die Amerikaner so herstellen.

Mittwoch, 26. November 2014

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Wenn der grosse Strolch bei seinem Freund ist, fährt er mit dem Bus nach Hause. Wozu hat er schliesslich eine Monatskarte. Ganz normal ist das Verhalten aber hier in Nordamerika nicht. Hier sind die Eltern Chauffeur, weil sie davon ausgehen, dass es keinen Bus gibt - was auch oft stimmt, z.B. gibt es keinen Bus von Lilli bis zum Kieferorthopäden (seufz). Sie fahren ihre Kinder aber auch, weil man Kinder nicht allein durch die Welt irren lässt. Und sind dann froh, wenn das Kind mit 16 seinen Führerschein macht und fortan allein hin- und herfahren kann.

Der grosse Strolch aber hat eine deutsche Mutter, die, auch wenn sie Zeit hätte, ihn abzuholen, ihn mit dem Bus nach Hause fähren lässt. Weil ihm diese Selbständigkeit guttut. Allerdings muss er auf dem Weg zur Bushaltestelle durch einen finsteren Park, der jetzt im November nicht gerade von Spaziergängern und Hundebesitzern wimmelt. Was ihm da alles passieren könnte! So mutig Lilli ist - zu Weihnachten bekommt er ein Handy.

Donnerstag, 20. November 2014

Strafarbeit

Heute musste der grosse Strolch zum ersten Mal in seinem Leben nachsitzen. Zweimal zu spät kommen gibt eine Stunde nachsitzen, in der er zuerst über seine Fehler referieren musste ("Warum bin ich hier?" und "Was kann ich tun, um es nicht wieder so weit kommen zu lassen") und danach verschiedene Klauseln der allgemeinen Verhaltensregeln abzuschreiben hatte - dreimal. Auch damit kann man eine Stunde füllen.

"Harry Potter musste mit seinem eigenen Blut schreiben", sagt Lilli, um den Strolch zu trösten. Gleichzeitig muss sie schmunzeln hinter seinem Rücken.

Mittwoch, 19. November 2014

Zeugnis

Der kleine Strolch ist jetzt im zweiten Jahr der Sekundarstufe, was der deutschen Klasse 8 entspricht. Die Einteilung in Gymnasium, Real- und Hauptschule gibt es in Québec nicht, da gehen alle auf die gleiche Sekundarschule bis Klasse 11, danach können sie dann noch weitermachen oder nicht. So jedenfalls sieht die Theorie aus, in der Praxis gibt es Privatschulen und öffentliche Schulen, und die Privatschulen suchen sich ihre Schüler nach einem Aufnahmetest aus, während die öffentlichen Schulen alle nehmen müssen, die übrig bleiben.

Die Strolche gehen also auf eine Privatschule, die für ihr anspruchsvolles Programm bekannt ist. Und obwohl beide dafür die Aufnahmeprüfung bestanden haben, was ja schon ein Zeichen dafür ist, dass sie beide dem Niveau entsprechen, hatte Lilli beim kleinen Strolch so ihre Zweifel. Das erste Jahr lief gut, was Lilli aber auch nicht sehr beruhigt hat, denn sie weiss ja, dass das noch als Kuschel- und Übergangsjahr relativ harmlos war. Jetzt aber standen die ersten Zeugnisse des zweiten Jahres an. Wenn Lilli ihren Sohn als Lernenden hätte einschätzen müssen, hätte sie, basierend auf dem, was sie so zuhause mitkriegt, eher Mittelmässigkeit vorgeschlagen: zwar mit schneller Auffassungsgabe ausgestattet, aber eher faul. Nervös manchmal und deshalb wohl in vielen Fällen unaufmerksam, besonders bei allen Fächern, die mit Geschichte, Politik, Ethik, Erdkunde und Chemie zu tun haben. Sieht nicht ein, wozu er mehr als Grundkenntnisse in Fremdsprachen bräuchte, und findet Französisch langweilig. Macht seine Hausaufgaben schnell schnell in der Schule und zeigt sie nicht her, während der grosse Strolch stundenlang damit zubringt....

Schön (wenn auch etwas befremdend, aber schön allemal), jetzt ein Zeugnis in der Hand zu halten, das durchweg gute bis erstklassige Noten zeigt. "Und besser als der Durchschnitt", wie Monsieur beeindruckt anmerkt, denn der Klassendurchschnitt steht dabei. Die besten Noten hat er in Englisch und Französisch, dazu ermunternde Bemerkungen wie "sehr gute Mitarbeit, trägt viel zur Diskussion bei, aufmerksam". Der kleine Strolch kommt also gut durch die Welt im Moment, wirkt auf andere Menschen anders (und besser) als auf seine eigenen Eltern, zeigt Interesse, kann sich konzentrieren, bringt die von der Gesellschaft erwartete Leistung. Lilli Weiss, dass Schule nur eine bestimmte Art von Intelligenz prüft und belohnt und dass nicht alle, die schlechte Noten haben, deshalb gleich Lernschwierigkeiten haben. Dass die eigenen Kinder in dieses Schema passen, ist trotzdem eine Riesenerleichterung. Der kleine Strolch, der seit dem Sommer grösser als Lilli mit ihren 1,78 m ist, ist in ihren Augen gestern abend gleich noch ein Stück gewachsen.

Donnerstag, 6. November 2014

Gleich und gleich

Seine Kinder gleich lieben heisst nicht, sie gleich zu behandeln. Oh, wie fällt es dem kleinen Strolch schwer, das zu akzeptieren! Schon seit Jahren führt er Buch über Privilegien, die dem grossen Strolch zuteil werden, um diese dann im gleichen Alter für sich selbst einzuklagen. Das letzte Beispiel: "Mit 14 Jahren durfte der grosse Strolch zwei Nächte hintereinander bei einem Freund übernachten", liest der kleine Strolch aus seinen Notizen vor. Im März wird er selbst 14, dann kann er endlich auch mal zwei Nächte lang zu einem Freund - meint er. Und ist dann entsetzt, als Lilli ihm dagagenhält, dass das ganz darauf ankommt. "Da muss man erst mal sehen, bei wem du übernachten willst und was ihr dann so macht die ganze Zeit", erklärt sie ihm. Der grosse Strolch durfte nämlich deshalb zum Freund, weil der für zwei Nächte auf eine Skihütte fuhr. Wenn es also um Sport geht und noch dazu schwierig gewesen wäre, den Strolch nach einer Übernachtung von dort abzuholen, und noch dazu die Eltern von besagtem Freund absolut zuverlässliche Leute sind, geht die Erlaubnis relativ leicht von den Lippen. "Wenn du aber zu jemandem willst, den wir nicht gut kennen, und die Pläne nur darin bestehen, einen 48 Stunden-Computerspielmarathon durchzuziehen, dann erlauben wir das nicht", malt Lilli ein hypothetisches Schreckensszenario an die Wand. Der kleine Strolch ist entsetzt. Er war davon ausgegangen, dass ihm die Erlaubnis zustünde, denn "gleiches Alter, gleiches Recht". Dass es nicht ganz so einfach ist, findet er ungerecht.

Und Lilli findet es ungerecht, ihm das so knallhart sagen zu müssen. Wo sie ihre Kinder doch in gleichem Mass liebt. Ganz bestimmt. Aber ihnen trotzdem nicht die gleichen Dinge erlaubt.

Freitag, 31. Oktober 2014

Alle Jahre (nicht) wieder

Kein Halloween mehr dieses Jahr. Auch dieser Aktivität sind die Strolche inzwischen entwachsen. Nicht, dass es Lilli etwa leid tun würde. Sie hat dieses Fest der Hässlichkeiten noch nie gemocht, auch nicht das Betteln um Süssigkeiten an der Tür und nicht das Verkleiden. Im Büro kommt der Kindergarten aus dem Erdgeschoss nach oben, um sich zu zeigen: die Jungs sind als Feuerwehrmann, Polizist oder Pirat verkleidet, die Mädchen als Prinzessin. Alle. Ohne Ausnahme. Varianten sind Fee mit Stern, Piratenprinzessin, Schneewittchen, Elfe mit Flügeln, Hauptsache das Kleid ist rauschend und rosa oder golden. Was ist Lilli froh, keine Tochter zu haben, denn dieses Prinzessinnengetue wäre ihr garantiert auf die Nerven gegangen. Dieses Jahr aber muss sie keinen Strolch mehr auf Spiderman oder Skelett schminken, kein Kleid mit Handtasche ausleihen und kein Garfieldkostüm am Körper zunähen.

Von der Ausbeute der Strolche heimlich alle Twix und Marsriegel stehlen kann sie dann allerdings auch nicht mehr.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Eine Hockeykarriere

Die Altersklassen beim Eishockey haben seltsame Namen: Atome, Pee-Wee, Bantam und schlieslich Midget. Von klein auf umfassen diese Altersklassen immer zwei Jahrgänge, bis die Spieler 15 sind und mit 16- und 17jährigen in der Midget-Stufe spielen. Genau dort ist der grosse Strolch in dieser Saison angekommen und stellt fest:
1. Ab Midget duscht man nach dem Training. Warum? Weil man hinterher noch irgendwo hin geht, zur Freundin, ins Kino, zu Starbucks...
2. Ab Midget gehen kaum mehr Eltern mit als Zuschauer. Warum? Wer 16 ist, kann oft schon selbst Auto fahren.
3. Ab Midget gibt es oft mehr Strafminuten, als das Spiel dauert. Die Hormone...
3. Ab Midget näht man seinen Familiennamen nicht mehr aufs Trikot. Ist uncool. Zum Glück erkennt Lilli den grossen Strolch auch ohne Namen, so typisch ist sein Stil. "Und eine Nummer hat er auch", sagt Monsieur. Ja, das hilft.

Montag, 22. September 2014

In Chemie war Lilli noch nie gut

Die "Zeit der Gemeinsamkeit" wird immer weniger. Lange war es so, dass Lilli, Monsieur und die Strolche sonntags was gemeinsam unternahmen. Unter der Woche hat ja jeder so seine Aktivitäten und Hausaufgaben noch dazu, samstags haben die Freunde Vorrang, aber sonntags! Sonntags sollte keiner Verabredungen treffen, damit alle zusammen einen Fahrradausflug oder Schwimmbadbesuch machen konnten. Wenn Lilli Gluck hatte, ging es in ein Museum, wenn sie Pech hatte, musste die Schwiegerfamilie besucht oder die Hecke geschnitten werden, aber immerhin machten sie was zusammen. Der kleine Strolch nannte das die "Atomfamilie" (la famille atomique) und verfehlte damit nur knapp den korrekten Ausdruck "Kernfamilie" (la famille nucléaire). Seit einiger Zeit aber klappt das nicht mehr. Die Strolche haben Hausaufgaben und ansonsten generell keine Lust, was mit den Eltern zu unternehmen, und auch Monsieur schiebt Arbeit vor, um diese dann mit dem Laptop auf den Knien vor dem Fernseher und seinem unendlichen Sportangebot zu erledigen. Gestern war Lilli mit dem kleinen Strolch Schuhe kaufen, und als sie hinterher vorschlug, noch im Park spazieren zu gehen, meinte er, dass ja schon das Schuhekaufen als gemeinsame Aktivität zählte und er sich somit seiner sonntäglichen Pflichten entledigt hätte. Am Sonntag zuvor war Lilli mit den Strolchen in der Ausstellung über Höhlenmalerei und fühlte sich geradezu verpflichtet, sich bei den Strolchen für ihre Begleitung zu bedanken. Wenn ihre Eltern sie DAMALS in so eine Ausstellung mitgenommen hätten...

Das langsame Aussterben der gemeinsamen Zeit festzustellen ist eine Sache, eine ganz andere ist es, damit umzugehen. Lilli fragt sich: verlangt sie zuviel von ihren pubertierenden Söhnen? Ist sie ihnen ein Klotz am Bein, erdrückt sie sie mit ihren Forderungen nach mehr Familienzeit? Oder darf sie es noch, weil es zwar ganz normal ist, dass Jugendliche ihre Familie lästig finden, es ihnen aber trotzdem guttut, zwanglose Freizeit mit Mama und Papa zu verbringen? Denn um freie Zeit geht es hier ja, um ein paar entspannte Momente, die man zusammen verbringt und die anders sind als die Begegnungen unter der Woche, bei denen unterschwellig Spannungen bestehen, die durch unaufgeräumte Zimmer, Trödeln oder schlechte Tischmanieren hervorgerufen werden. Kurzum: soll Lilli weiter Vorschläge machen oder sich schleunigst nach anderen Freunden umsehen und ihre Kinder in Ruhe lassen? Was aber wird dann aus der Atomfamilie? Ein Molekül mit freien Radikalen?

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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