Strolche

Mittwoch, 17. September 2014

Lesen

Obwohl die Strolche auf eine Privatschule gehen und es bei den Kosten dann auf weitere 12 Dollar auch nicht ankommen würde, muss der kleine Strolch den "Kleinen Hobbit" nun auf Kobo lesen. Seine Englischlehrerin findet das ausserordentlich praktisch, denn dann muss sie keinen Klassensatz mit in den Unterricht bringen und die Schüler können überall weiterlesen - im Bus zum Beispiel, wenn sie ein Tablet haben oder ein iPhone. Der kleine Strolch fährt aber nicht Bus und elektronisch ausgestattet ist er auch nicht. Deshalb liest er jetzt zuhause vor dem PC, was er ermüdend findet und wenig kuschelig. Glücklicherweise gehört er zu den Kindern, die gern lesen, und nimmt die Ungemütlichkeit des hellen Bildschirms und des aufrechten Sitzens als lästig, aber notwendig hin. Was aber machen Kinder, die keine eifrigen Leser sind? Die finden so garantiert nicht zum Buch, sondern gehen gleich - wenn sie sowieso schon vor dem Bilschirm sitzen - zum Film über. Bravo.

Montag, 1. September 2014

Hinaus

Immer mal wieder hat der kleine Strolch Bauchweh. So richtig doll, mit Erbrechen und als jammerndes Häufchen Elend in Embryohaltung auf dem Sofa liegend. Früher passierte das so alle drei bis sechs Monate ohne erkenntliche Ursache, wenn auch vielleicht zusammenhängend mit innerlicher Aufruhr - Schulbeginn, Klassenarbeiten, Basketballtraining? Heute morgen war es wieder einmal so weit, allerdings lag das letzte Mal bestimmt zwei Jahre zurück und keine der bisherigen Episoden war so schmerzhaft wie diese. Zusammengeklappt heulte der kleine Strolch vor Schmerzen, bis Lilli mit ihm in die Notaufnahme des Krankenhauses fuhr - schliesslich könnte es ja auch Blinddarmentzündung sein. Dort ging dann das Erbrechen los, was immerhin dazu geführt hat, dass sie relativ schnell drankamen und nach etwa vier Stunden schon einen Arzt sehen konnten. Kurzum, Lilli verbrachte den Tag damit, dem kleinen Strolch tröstend den Rücken zu reiben und/oder mit einem kalten Waschlappen das Gesicht abzutupfen, während um sie herum Betten belegt und wieder frei wurden. Hauptsächlich alte Leute trudelten ein, um vom Pflegepersonal in Kittel gewickelt, mit Mutter-Theresa-Leintüchern zugedeckt und Fieber gemessen zu werden. Dann die allerwichtigste Frage, die Lilli zuerst in ihrer Plumpheit peinlich berührte, dann aber, nachdem sie wirklich jedem Patienten gestellt und lang und breit diskutiert wurde, an Zudringlichkeit verlor: "Wie machen Sie Stuhlgang?", wollten die Pfleger bei jedem Neuzugang wissen, und weil meist keine klare Antwort darauf kam: "Sind Sie da selbständig oder soll ich Ihnen einen Topf bringen? Oder tragen Sie eine Windel?" Daraufhin kamen unwirsch gemurmelte Erklärungen, die bestimmt keiner gerne abgab, es wurde von Durchfall erzählt und auf künstliche Ausgänge hingedeutet, und Lilli wurde eines klar: sobald ein Mensch für längere Zeit an ein Bett gefesselt ist, wird die Ausscheidung des körperlichen Mülls zu einer Frage, die es flugs zu regeln gilt, wenn man nicht ununterbrochen damit beschäftigt sein will, Betten abzuziehen und Unmengen von Leintüchern zu waschen. Wie schnell ist man doch reduziert auf die Grundbedürfnisse, das Aufnehmen und vor allem Ausscheiden von Nahrung, das wir mit den Tieren gleichhaben, aber anders als diese normalerweise nicht in der Öffentlichkeit erledigen. Im Krankenhaus aber wird alles öffentlich, da wird der Mensch zum Tier, zum Körper, den es zu versorgen gilt, und da alle Körper gleich sind, braucht man auf den dazugehörigen Menschen keine Rücksicht zu nehmen. Während der kleine Strolch damit beschäftigt war, seine Nahrung über die Speiseröhre wieder ans Tageslicht zu fördern, wurde neben ihm und nur durch einen Vorhang getrennt eine Windel gewechselt, während der Mann gegenüber ein Medikament trank, das seinen Stuhlgang auf so spektakuläre Weise beschleunigen sollte, dass die Krankenschwester neben ihm in den Startlöchern stand, um ihn auf sein Signal hin aufs Klo zu bugsieren. Später sank der kleine Strolch erschöpft auf sein Kissen zurück und schlief ein, und Lilli verliess diese Jammerstätte des menschlichen Daseins, um selbst ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. In ihrem eigenen Bett und weit weg von all dem Elend.

Samstag, 26. Juli 2014

Kapitän Lilli

Der kleine Strolch will mit seinen Freunden ins Kino. "Sex tape" wollen sie ansehen, die 13jährigen Jungs, was Lilli mit dem Hinweis auf die Altersgrenze "ab 16" verbietet. Dass sie mit dieser Entscheidung allein dasteht, wundert sie schon gar nicht mehr. Die Eltern von diesen Freunden scheinen allesamt das Handtuch geworfen zu haben, was den Konsum und den Umgang mit Medien angeht. Auch der kleine Strolch ist nicht erstaunt, als einziger "strenge" Eltern zu haben. Er scheint damit zurecht zu kommen, lässt aber nicht von seinen Freunden ab, deren Umgang ihm Lilli auch nicht verbietet. So fahren sie dahin auf den Wellen der pubertären Entwicklung, Lilli und der kleine Strolch, und nehmen eine Stromschnelle nach der anderen, wie sie sich halt präsentieren. Angst hat sie vor dem Tag, an dem der kleine Strolch nicht mehr um Erlaubnis fragen wird, ob es sich nun um Filme dreht oder aber um Alkohol, Drogen, sinnlose Mutproben...

Mittwoch, 16. Juli 2014

Gelebte Architektur

Lilli und der kleine Strolch wollen nächste Woche sein Zimmer streichen. "Schwarz, Grün, Gelb, Rot und Weiss", denkt der kleine Strolch laut nach, "wie die Farben von Bob Marley". Dann aber fällt ihm auf, dass es da ein Problem gibt: "Ich hab ja aber gar nicht so viel Wände. Nur vier...". Wie das halt bei Zimmern so üblich ist, kleiner Strolch!

Mittwoch, 9. Juli 2014

Das "Belgian Wax"-Prinzip

Wer die amerikanische Serie "Will & Grace" kennt, weiss auch, was ein "Belgian Wax" ist - eine Epilation im Bikini-Bereich, die so weh tut, dass man hinterher eine belgische Waffel essen muss, um sich zu trösten. So ähnlich geht es Lilli mit dem Kieferorthopäden, dessen Besuche sich bei zwei Strolchen häufen und der so doof liegt, dass die Strolche nicht mit Bus oder Metro hinfahren können. Unweit davon hat Lilli jetzt eine Bäckerei aufgetan, die das beste Baguette, die himmlischsten Croissants und sogar Vollkornbrot mit Kruste hat. Ein wahrhaftiger Bäcker, der morgens um 6 schon offen hat, weil er versteht, dass man frisches Brot zum Frühstück braucht und nicht erst um 8, wenn der Supermarkt aufmacht! Für Deutschland eine Selbstverständlichkeit, ein Grundrecht, eine notwendige Lebensbedingung, die aus dem Alltag nicht wegzudenken ist, hier allerdings eine Seltenheit. Sogar Mitschele hat er (die Schwaben werden verstehen, was das ist; der Name kommt übrigens vom Französischen "michette"). Deshalb: schon wieder ein Termin bei Doktor S.? Prima, ich fahr dich hin.

Sonntag, 29. Juni 2014

Mit Kindern reisen

Erstaunlicherweise sah das Rührei, das der grosse Strolch in grossen Mengen auf sich erbrach, noch genau so aus wie vier Stunden zuvor, als es noch auf seinem Teller lag. Jetzt sass er allerdings im Auto, in dem die Familie gedachte, noch weitere drei Stunden zuzubringen, und sah ungläubig auf sich herab.

Merke: beim Versuch, Erbrochenes aus fremden Kleidern zu wischen, stets die Lippen zusammenpressen, um nicht selbst das Übel weiter zu verschlimmern.

Mittwoch, 28. Mai 2014

Geldproblem

Der kleine Strolch braucht neue Räder für sein Longboard und ein neues Grip. Mit 50 Dollar wird er da schon rechnen müssen. "Du hast aber nur 30 Dollar auf dem Konto", erinnert ihn Lilli an seinen mickrigen - weil regelmässig abgeschöpften - Kontostand. Monsieur bietet ihm an, kleinere Büroarbeiten für ihn zu erledigen, um so die nötige Summe zu erarbeiten. "Nö, das ist langweilig", meint der kleine Strolch abwertend. Tja, dieses Dilemma wird ihm noch öfter im Leben begegnen. Lilli hilft ihm erst mal nicht weiter. Mal sehen, ob er von selbst eine Lösung findet.

Sonntag, 25. Mai 2014

Wo gibt's denn sowas

Der grosse Strolch ist jetzt 15. Heute hat er mit seinen Kumpels im Billardcafé gefeiert, bei schönem Wetter natürlich, denn seit 15 Jahren scheint an seinem Geburtstag unweigerlich die Sonne. Lieb sind die Jungs alle, und cool auch. Zum Beweis: sie haben Monsieur und Lilli mitspielen lassen, ohne das ätzend zu finden!

Donnerstag, 15. Mai 2014

Am besten gleich eine Kuh

Es ist soweit: Lillis Familie hat die Milch-Schallmauer durchbrochen. Seit Wochen schon geht Donnerstags die kostbare Flüssigkeit aus (Lillis Schwester würde sagen: "Milch ist kein Getränk, sondern eine Mahlzeit"), woraufhin die Familie in Bedrängnis stürzt, da der Milchmann erst am Freitagmorgen klingelt. Morgen muss Lilli ihm sagen, dass er von nun an jede Woche zwei Liter mehr bringen soll. Dann sind sie bei 16 Litern pro Woche, damit kommt in Deutschland eine ganze Schulklasse einen Monat lang aus.

Mittwoch, 14. Mai 2014

Ohboyohboyohboyohboy

Das Baby ist inzwischen 8 Monate alt und sieht ernst in die Welt. Sprechen tut es noch nicht, weder russisch (Mutter) noch französisch oder englisch (Vater) noch spanisch (Babysitterin). Gestern hat Lilli es beim Spazierengehen getroffen und war froh, es an der frischen Luft zu wissen - diesen Winter über sind die Eltern nicht jeden Tag mit ihm raus, vorsichtshalber. Die Mutter erzählt begeistert von dem Elternratgeber, den sie gerade gelesen hat und Wort für Wort umsetzt, "nicht nur mit dem Baby, sondern auch mit meinem Freund, meinen Eltern, meinen Freunden, es funktioniert einfach überall!" John Gray heisst der Mann und sein Geheimnis besteht darin, den Kindern den Eindruck zu geben, sie hätten die Wahl. "Sag nicht: Räum Dein Zimmer auf, sondern: Würdest Du bitte Dein Zimmer aufräumen, dadurch hat das Kind den Eindruck, es könne selbst bestimmen und fühlt sich aufgewertet", erklärt die Mutter. "Oder Du sagst: Lass uns dein Zimmer aufräumen, und das Kind wird dir dabei helfen, weil es merkt, dass es Mitglied eines Teams ist." Lilli lächelt und nickt höflich. Was nützt es schon, mit einer jungen Mutter zu diskutieren? Sie selbst findet diesen Kommunikationsstil für Kinder verwirrend bis schädlich und hat Fragen nur gestellt, wenn sie auch bereit war, jede mögliche Antwort zu respektieren. Wer sagt denn schon "Würdest Du Dir bitte die Zähne putzen", wenn "Nein" als Antwort kommen könnte? Das erinnert sie an den letzten Besuch beim Kieferorthopäden. Dort lag ein Mädchen auf dem Stuhl, dem gesagt wurde, dass es die Zähne und die Spange besser putzen müsse. Die Mutter erklärte, dass das Mädchen das Zähneputzen oft "auf morgen" verschieben würde und am nächsten Morgen dann auf "heute abend". Der kleine Strolch, der wie Lilli Zeuge dieser Unterhaltung war, kommentierte hinterher: "Und die Mutter lässt das durchgehen!", als sei es ein Verbrechen.

Was aber das Zimmeraufräumen angeht: dafür scheint es - so oder so - keinen Kommunikationsstil zu geben, der dies effizient erwirkt.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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