Strolche

Dienstag, 5. August 2008

Vorsprung durch Technik

Als meine Mutter klein war, spielten sie so:
„Toc, toc, toc!“
„Wer ist da?“
„Huh, der schwarze Mann!“

Meine Kinder spielen:
„Toc, toc, toc!“
„Wer ist da?“
„Pizzaservice!“

Meine Enkel werden spielen:
„Toc, toc, toc!“
„Wer ist da?“
„Das weißt du doch, ich hab dir doch gerade gemailt, dass ich komme!“

Dienstag, 15. Juli 2008

Einmal umrühren, bitte!

Im Feriencamp der Strolche wurde übrigens so eifrig gesungen, dass zum Abschluss ein richtiges kleines Konzert fällig war, bei dem auch „Bruder Jakob“ auf französisch, englisch und (weiß der Himmel warum) deutsch gegeben wurde. Da wallte in Lilli mal wieder die Rührung auf, obwohl sie das normalerweise in der Öffentlichkeit gerne verhindert. Ist Lilli glücklich mit ihrem Leben in Montréal? Ja. War es die richtige Entscheidung, vor 14 Jahren nach Kanada auszuwandern? Absolut. Treten ihr Tränen in die Augen, wenn sie Kinderstimmen auf Deutsch singen hört? Jedes Mal.

Blick mit Dolch

Feriencamps sind eine feine Sache. In den letzten zwei Wochen haben die Strolche einen Gutteil ihres Tages damit verbracht, Fechten zu lernen, Schach zu spielen, Gitarre und Schlagzeug zu üben, im Chor zu singen und – da das organisierte Vergnügen zweisprachig ablief - so ganz nebenbei auch noch englisch zu lernen. Am letzten Tag fand die große Vorführung für die Eltern statt, bei der Lilli vor allem das Schlagzeug ins Auge stach. Nachdem der kleine Strolch ein überraschend fetziges Solo hingelegt hatte und noch ein bisschen Zeit war, wagte Lilli sogar, zu fragen, ob sie nicht selbst mal Hand anlegen dürfte. Der Blick, den sie daraufhin von dem 19-jährigen Schlagzeuglehrer (kleines Bärtchen, Diamant im Ohr) erntete, sprach zwar seine Anerkennung aus – „Das war noch nie da, dass eine Mutter fragt, ob sie auch mal darf“ – leider aber auch seine Überraschung, dass eine Frau in doch schon gesetztem Alter so was noch wagt. Ja, lieber Junge, merk dir das: Mütter sind nicht nur Mütter, sie haben auch einen Kopf, ein Herz, zwei Beine und alles, was dazwischen liegt. Und manchmal haben sie einfach eine unbändige Lust, so richtig auf die Pauke zu hauen!

Freitag, 11. Juli 2008

Balsam für die Seele

Die eigenen Kinder versetzen einen immer wieder mit den winzigsten Kunststücken in Entzücken. Der große Strolch hat zum Beispiel entdeckt, dass er auch Blockflöte spielen kann, indem er durch ein Nasenloch in sie reinpustet. Und der kleine Strolch kann mit der Hand in der Kniekehle einen täuschend echten Furz produzieren, den er stolz „Gelenkfurz“ nennt. So finden jeden Tag bei uns Konzerte statt, die allen Anwesenden demonstrieren, wie erhebend doch Kunst für die Seele sein kann.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Arm dran

Der große Strolch denkt, dass arm ist, wer in einer Wohnung wohnt anstatt in einem Haus. Dass es Leute gibt, die ihre Kinder manchmal ohne Frühstück in die Schule schicken müssen, kann er sich nicht vorstellen. Manchmal denkt der große Strolch auch, dass wir arm sind, weil wir kein Schwimmbad im Garten haben. Und selbst wenn wir eines hätten, wäre unser Garten zu klein, um gleichzeitig noch Platz zum Fußballspielen zu bieten. Neulich sagte sein Freund etwas traurig, dass seine Eltern ihm kein Geburtstagsfest ausrichten könnten, weil sie all ihr Geld für den neuen Pool aufgebraucht haben. Worauf sich der große Strolch empörte: "Aber es kostet doch kein Geld, einen Geburtstag zu feiern!" Danach ging ich für sein Geburtstagsfest einkaufen: Luftballons, Kerzen, Papierservietten mit Piraten drauf, Seifenblasenfläschchen für alle Gäste, dann noch 9 weiße T-Shirts zum Bemalen, Stoffmalstifte und lustige Tragetaschen, in denen die Gäste ihre T-Shirts und all das andere Zeug mit nach Hause nehmen können. Ach, was bin ich froh, meinen Kindern eine schöne Kindheit zu bescheren. Ein richtiges Privileg, das. Ich muss ihnen aber unbedingt auch eine Dosis Realitätssinn mitgeben und ihnen die Augen öffnen dafür, dass es anderen Kindern nicht ganz so gut geht wie ihnen. Das kostet nämlich auch nichts.

Mittwoch, 25. Juni 2008

Ein Strolch ist unbezahlbar

Lilli stolziert stolz mit den neuen hochhackigen Schuhen auf und ab. So was hatte sie noch nie, schwarze Riemchensandalen mit richtig hohen Absätzen, mit denen sie das Laufen erst wieder neu lernen muss. „Na, wie gefallen sie Euch?“, ruft sie kokett dem Publikum zu und hebt die Hose noch weiter hoch, damit die stöckeligen Dinger auch gebührend bewundert werden können. Der große Strolch und Monsieur brummen etwas, von dem sie hoffen, dass Lilli es als Kompliment auffassen wird, während der kleine Strolch trocken zusammenfasst: „Die Schuhe sind toll, Mama, nur deine Stiche sind immer noch hässlich.“ Ach ja, die Mückenstiche vom Waldspaziergang. Nie haben mir Mückenstiche so zugesetzt.

Dienstag, 24. Juni 2008

Babylon, Kanada

Wir sind ein zweisprachiger Haushalt. Das heißt, dass ich mit meinen Kindern deutsch spreche und sie mir auf französisch antworten (früher war das mal anders, aber zwingen will ich sie nicht). Letztes Jahr hat die Regierung der Provinz Quebec nun entschieden, dass alle Kinder ab dem ersten Schuljahr Englisch als Fremdsprache lernen sollen. Das finden die Strolche ganz toll, da die Englischstunden oft so aussehen, dass ein paar Spielchen gemacht werden, sie ein paar Bilder malen und anschließend Bugs Bunny-Videos gucken. Eine feine Sache also, der Englischunterricht. Ein paar englische Wörter bleiben allerdings trotzdem hängen:

Der kleine Strolch ganz stolz: « Je sais pourquoi la Caramilk s’appelle Caramilk ! »
Ich: « Ja, warum heißt die denn so? »
Der kleine Strolch: « ‘Cara’ pour caramel et ‘milk’ pour ‘milk’.
Ich: « Und was heißt ‘milk’? »
Der kleine Strolch: „Lait.“
Ich: „Ja, das englische Wort ‚milk’ klingt fast gleich wie das deutsche ‚Milch’.“
Der kleine Strolch triumphierend: „C’est ça que j’ai dit!“ (Hab ich doch gesagt!)

Jetzt sind wir also dreisprachig, und ich wundere mich nur, dass wir uns trotz all der Sprachkenntnisse so gut verstehen, die Strolche und ich…

Montag, 23. Juni 2008

Kinder lernen trotz Schule,

sagt Lillis Schwester, die Lehrerin, immer. Heute morgen jedenfalls kam Lilli beim Nachdenken über das Schuljahr, das heute zu Ende geht, so in Rage, dass sie auf ihrer neuen (verlängerten!) Strecke direkt einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt hat:

Die Lehrerin der Parallelklasse des großen Strolchs ist ein rechtes Biest, deren Spezialität darin besteht, die Schüler mit herzlosen Kommentaren in einer Weise abzukanzeln, die die Eltern grün anlaufen lässt. Auch unter die Arbeiten schreibt sie gerne Sachen wie „schon wieder nur C“ oder „kein Wunder bei so einem unaufmerksamen Schüler“, und neulich stand unter einer besser ausgefallenen Arbeit „na endlich“. Nicht gerade erbaulich für 9-jährige, die noch nicht unbedingt einsehen, dass sie für sich selbst lernen und nicht für die Lehrerin… Da kann ich ja nur froh sein, dass der Strolch in die andere Klasse kam, die eigentlich zu Beginn des Jahres als „problematisch“ eingestuft wurde, da sie nur zur Hälfte aus Drittklässlern besteht, zur anderen Hälfte aber aus Viertklässlern. Die Lehrerin musste sich also das ganze Jahr über zwischen beiden Jahrgängen zweiteilen, um beiden halben Klassen den jeweiligen Lehrstoff zu vermitteln. Trotz dieser Schwierigkeit lief das Schuljahr eigentlich ganz glatt, wenn man mal von dem einen Mädchen absieht, das immer wieder Rabatz schlug, Schreikrämpfe bekam, mit Sachen um sich warf und im Mai dreimal die Woche von den Eltern aus der Klasse geholt werden musste, da sie bis in den Flur hinaus zu hören war. Eine von 24, das ist heutzutage ja gar nichts.

Meine Güte, was waren meine Grundschuljahre damals ereignislos.

Dienstag, 17. Juni 2008

Stil hat man oder man hat ihn nicht

Der große Strolch steht, obwohl er jetzt bald die dritte Klasse mit Erfolg hinter sich gebracht hat, der schriftlichen Produktion eigener vollständiger Sätze skeptisch gegenüber. Das hängt damit zusammen, dass das hiesige Schulsystem zwar viel Wert auf „transversale Kompetenzen“ legt, dabei aber so simple Dinge wie Erlebnisaufsätze oder gar das schriftliche Formulieren der eigenen Meinung vernachlässigt. Zudem will der große Strolch keine Fehler machen und zögert deshalb lange, bevor er sich festlegt, wie man nun dieses oder jenes Wort schreibt. Nun darf man als Eltern natürlich nicht alles der Schule überlassen, und schon gar nicht die Schulbildung der eigenen Kinder. Deshalb hat der große Strolch von seinen Eltern ein schönes Tagebuch geschenkt bekommen, in das er wenigstens ab und zu etwas reinschreiben soll, um den schriftlichen Ausdruck - vollständige, flüssige Sätze, die sich angenehm und sprachlich interessant aneinanderfügen und dabei über die banale Schilderung der Dinge hinausgehen - zu üben. Der kleine Strolch, nicht ganz so erfolgreicher Erstklässler, sieht das Ganze unbefangener und hat ebenfalls angefangen, seine Erlebnisse zu notieren. Er verwendet dafür eine Art Lautschrift, die uns zwar die Haare zu Berge stehen lässt, aber zumindest soweit funktioniert, dass man mit etwas Übung den Sinn entziffern kann. Über den missglückten Waldspaziergang am Sonntag kann man denn beim großen Strolch in etwa nachlesen: „Heute Nachmittag waren wir im Wald spazieren, was sehr mühsam war, da die Wege voller Schlamm waren und es viele Schnaken gab.“ Der kleine Strolch dagegen schrieb: „Wir sind in den Wald gegangen und die Wege waren voller Kacke. Wir steckten alle in der gleichen Kacke.“ Das, liebe Leser, nenne ich schreiben mit Stil.

Montag, 16. Juni 2008

35 Stiche und noch ein Stich

Um die ganze traurige Geschichte kurz zu fassen: am gestrigen kanadischen Vatertag musste Monsieur arbeiten, wie auch schon an Weihnachten, den darauffolgenden drei Tagen Skiurlaub und fast jedem Wochenende seither. Lilli beschloss daraufhin, den Strolchen ein guter Vater zu sein, und ging mit ihnen Baseballspielen:

Baseball ist, milde ausgedrückt, nicht mein Lieblingssport, denn Baseball mit den Strolchen sieht so aus, dass man lange, lange mit dem Handschuh in der Hand rumsteht, während einer der Strolche versucht, den Ball mit dem Louisville-Slugger zu treffen. Trifft er ihn dann endlich, steigt er so hoch und weit, dass keiner der Lange-Rumstehenden ihn fangen kann. Man rennt also dem Ball hinterher, wirft ihn einem der beiden Strolche zu, und nach kurzen Diskussionen, wer denn nun dran sei mit Schlagen, geht das Ganze von vorne los. Die Strolche aber hatten ihren Spaß daran, und nachdem genug geschlagen und gerannt worden war, schlug ich vor, noch eine Weile im Wald spazieren zu gehen. Das wiederum fanden die Strolche nicht so erbaulich, aber irgendwie hatten sie wohl verstanden, dass hier eine Hand die andere wäscht, und gingen mit. Natürlich ist nun so ein kanadischer Wald nicht mit dem baden-württembergischen gepflegten Mischwald meiner Jugend zu vergleichen: erstens verfügt er, wenn überhaupt, nur über dürftig ausgeschilderte, eher durch Zufall entstandene Wege, zweitens sind diese keinesfalls gewartet oder auch nur intelligent angelegt und deshalb meistens völlig vermatscht und mit Wolken von hungrigen Schnaken ausgestattet. Natürlich weiß ich das eigentlich, und trotzdem falle ich immer wieder auf die Verlockung rein, im kühlen Grün lustwandeln zu wollen. Und natürlich führte der von uns gewählte Pfad nur allzu bald in ein Schlammloch, aus dem wir nur seelisch angeschlagen und mit insgesamt 35 Schnakenstichen wieder an die Erdoberfläche zurückkamen. Was aber lag direkt vor uns, als wir endlich aus dem Wald auf die grüne Wiese taumelten? Ein kleiner See, an dem Dutzende von Vätern mit ihren Kindern saßen und angelten.

Also die Vatertagsidylle schlechthin, und die gab mir dann den letzten Stich, der auch heute noch am meisten kratzt und juckt und beißt.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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