Strolche

Freitag, 8. November 2013

Die Rolle der Eltern im Laufe der Zeit

Früher: schleppte Lilli den kleinen Strolch mit zum Eishockeyspiel des grossen Strolches. Also: kleinen Strolch anziehen, ins Auto schnallen, dem grossen Strolch Tasche packen helfen, Tasche mit Kinderbuch, Snack, Trinkflasche, feuchten Tüchern etc. packen, in der Eishalle dem grossen Strolch beim Anziehen helfen, den kleinen Strolch dabei nicht aus den Augen verlieren, anschliessend den kleinen Strolch bei Laune halten, ohne die grossartigen Leistungen des grossen Strolches auf dem Eis zu verpassen, damit man sie hinterher gebührend loben kann. Grossen Strolch aus der Eishockeyausrüstung schälen, hinter dem kleinen Strolch herrennen, alle ins Auto packen, Buch und Trinkflasche suchen, heimfahren, Essen kochen.

Jetzt: der grosse Strolch packt seine Tasche allein, Lilli fährt ihn in die Eishalle und lässt ihn allein den stinkenden Flur entlang zu seinem Mannschaftsraum gehen. Sie kann vor dem Spiel stricken oder lesen und sich während des Spiels mit den anderen Eltern unterhalten. Während der grosse Strolch sich hinterher allein umzieht, ruft sie den kleinen Strolch zuhause an und sagt den himmlischen Satz: "Tu die Pizza in den Ofen."

Das Einzige, was gleichgeblieben ist: nicht verpassen, was auf dem Eis passiert! Gestern hat der grosse Strolch ein (zugegeben wirklich grossartiges) Tor geschossen und doch tatsächlich die Ränge nach Lilli abgesucht. Dann hat er die Hand gehoben und ihr zugewunken. Da fühlte sich Lilli unersetzbar.

Mittwoch, 6. November 2013

Nix wars

Ein paar Tage nach Halloween ist es Zeit, dem Zuckerrausch ein Ende zu setzen. Lilli schnappt sich eine Plastiktüte und fragt den kleinen Strolch, was denn noch übrig ist von seiner Beute - normalerweise sind das Lakritzstangen, Karamellbonbons und Coffee Crisps, die im Haushalt keiner mag. "Halt, halt", sagt er schnell und zieht seinen Schatz an sich. "Dieses Jahr haben wir es anders gemacht", erklärt er stolz. "Bei Fabian haben wir unsere Taschen ausgeleert und die Sachen, die wir nicht mögen, untereinander ausgetauscht. Jetzt hab ich nur Süssigkeiten, die ich wirklich mag." Und Lilli wollte den ungeliebten Rest mit ins Büro nehmen, wo Leute ohne Kinder sich darauf gestürzt hätten.

In der Falle

Monsieur war eine Woche lang weg, jetzt ist er wieder da. In der Wäsche findet Lilli dunkelblaue Socken, an denen grasgrüne, lange Synthetikfasern hängen, wie sie in Teppichen von ordentlichen Hotelzimmern eigentlich nicht zu finden sind. "Äh, hi hi hi", kichert Monsieur, "keine Ahnung, wo die herkommen." Als Lilli ihn weiter abwartend anschaut, ringt er sich einen ernsteren Gesichtsausdruck ab, versichert ihr, dass er nirgends war, wo es unanständig grüne Teppiche gab, und kichert wieder unkontrolliert los. Der grosse Strolch, der dem Verhör aufmerksam gefolgt war, springt jetzt ein: "Ich glaube, ich hatte die Socken an, als ich am Freitag auf der Party war. Da lagen so grüne Kissen auf dem Boden, wahrscheinlich kommen die Fusseln daher." Monsieur tut entrüstet - da beschuldigt man IHN, der die ganze Woche nichts als arbeitet, während der eigene Sohn ihm die Socken aus der Schublade stiehlt. Dann stösst der grosse Strolch seinem Vater den Ellenbogen in die Seite und sagt: "Papa, jetzt schuldest Du mir aber was!"

Sonntag, 3. November 2013

Facebookfilter

Der grosse Strolch geht auf eine Party. Die Mutter öffnet die Tür und Lilli kann es direkt vor sich sehen, wie er nur "Hallo" sagt und sonst gar nichts. "Kommst Du für die Party von Christine?", fragt die Mutter ihn. Der grosse Strolch kennt keine Christine und ist sich fast schon sicher, die falsche Adresse notiert zu haben. "Nö, von Mylène", antwortet er unsicher. Die Mutter lächelt ihn an: "Dann kannst du reinkommen", sagt sie. Sie wollte nur sicher sein, wirklich geladene Gäste im Haus zu haben und nicht tausend "Freunde von Freunden von Freunden", die nicht mal wissen, wie ihre Tochter heisst. Lilli macht sich eifrig Notizen.

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Die Maus ist tot, die Maus ist tot

So ein Blog ist schon was Praktisches. So wollte Lilli zum Beispiel heute morgen wissen, wann der kleine Strolch eigentlich seine Maus bekommen hat. "Nichts leichter als das", wie früher beim Sandmännchen immer Pickeldis grosser Bruder sagte, denn sie muss nur bei sich selbst nachschlagen. Zwei Jahre ist das schon her, für eine Maus ein beachtliches Alter. Jetzt liegt sie in einem Winnie-Pu-Schächtelchen, nicht grösser als eine Packung Zigaretten, und wartet darauf, heute abend unterm Birnbaum begraben zu werden. Während alle anderen Halloween feiern.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Lilli fasst sich an die Nase

Lilli schaut sich ein funkelnagelneues Baby an. Es ist lediglich mit einer Windel und einem Body bekleidet, während alle anderen Anwesenden lange Hosen, T-Shirts und Pullis tragen. Es wird nach dem Stillen in sein Bettchen gelegt, wo es grimassenschneidend die Beine an den Bauch zieht und nicht sehr glücklich dabei aussieht. Schlafsack gibt es keinen. Die Mutter wird russisch mit dem Kind sprechen, der Vater französisch, "aber Englisch wird auch dazukommen, vielleicht so jeden Tag abwechselnd". Im Kindergarten angemeldet sind sie noch nicht, obwohl sie auf den Platz in einem halben Jahr angewiesen sein werden und es damals bei den Strolchen drei Jahre dauerte. Wie sie es denn mit dem Spazierengehen machen, will Lilli wissen, "jetzt, wo das Wetter schon so schlecht ist?" "Nun, wir gehen schon raus, aber halt nicht jeden Tag", sagt die Mutter. Lilli hält an sich, sie will keine guten Ratschläge geben, das hat sie selbst damals gehasst. "Ich hab Euch ein Nussbrot mitgebracht und eine CD mit Schlafliedern", sagt sie, anstatt sich über Raumtemperaturen, Bauchreiben und dreisprachige Kindererziehung auszulassen. Dann geht sie nach Hause und begrüsst die Strolche auf deutsch, was sie schon mindestens seit vier Jahren nicht gemacht hat. Besser, sich an der eigenen Nase zu fassen, als auf der von anderen Leuten herumzutanzen.

Freitag, 25. Oktober 2013

Zahn um Zahn

Heute ist schulfrei pädagogischer Tag und somit Zeit, alle möglichen Termine für die Strolche wahrzunehmen. Der kleine Strolch war deshalb heute vormittag beim Zahnarzt, um sich zwei Milchzähne ziehen zu lassen, die der Kieferorthopädin im Weg waren. Jetzt hat er sich mit einer Schmerztablette ins Bett gelegt und macht Mittagsschlaf, während Lilli bloggt versucht, von zuhause aus zu arbeiten. Sie beneidet ihn ja nicht um die Zahnlücken, aber um den Mittagsschlaf, oh ja.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Wir fahren nach Polynesien

Der Film Kontiki erzählt die Geschichte des Abenteurers und Forschers Thor Heyerdahl, der von Peru aus auf einem Floss nach Polynesien fuhr. Der Handlungsfaden ist vielleicht etwas dünn, aber wer sich gerne an blonden Männern mit athletischen Oberkörpern weidet, kommt auf seine Kosten. "Eye candy für Mama", nennt der kleine Strolch sowas. Tssss.

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Der Morgen danach

Lilli kauft ein: Milch für Karamellpudding, Gemüse für Gemüsesuppe, weiches Weissbrot, Eier. Essen für zahnlose Alte? Nein, für einen grossen Strolch mit neuerdings fester Spange. Am ersten Morgen, gleich nach dem Aufwecken, war es noch gar nicht so schlimm. Als er dann aber auf die Cornflakes beissen sollte, wäre er am liebsten an die Decke gesprungen.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Machen Sie sich bitte keine Mühe

Lilli hat so sehr gemischte Gefühle, wenn sie an den bevorstehenden Deutschlandbesuch an Weihnachten denkt, dass es direkt eine Gefühlscremesuppe zu werden droht. Fast wäre es ihr lieber, wie das letzte Mal schon allein zu fliegen. Kein Übersetzen-Müssen für die Strolche und Monsieur, kein Erklären-Müssen von Insidejokes oder sonstigen Sachen, die es so in Deutschland oder Kanada nicht gibt. Wie könnte Lilli auch erklären, warum es wichtig ist, am 1. Januar das Wiener Neujahrskonzert im Fernsehen zu sehen? Oder wie ein Baseballmatch funktioniert? Ausserdem befürchtet sie, sich für die Tischmanieren ihrer Lieben, ihre Fernsehabhängigkeit und ihr mangelndes Interesse an Spaziergängen schämen zu müssen in einer Familie, die gerne viermal am Tag zum Essen zusammensitzt, abends gerne redet und spazierengehen als quasi-religiöses Ritual zur Reinigung von Körper und Seele ansieht. Bref, Lilli befürchtet, an Weihnachten zwischen allen Stühlen zu sitzen und es keinem, weder ihren Eltern noch ihren Kindern noch sich selbst, recht zu machen.

Um wenigstens das Sprachproblem zu lindern, schlägt sie vor, mit den Strolchen deutsch zu üben. Schliesslich hat sie mit ihnen ausschliesslich in der Sprache der Dichter und Denker konversiert, bis sie eingeschult wurden. Bis dahin haben die Strolche auch auf deutsch geantwortet, danach allerdings auf französisch umgestellt. Aber nein, die Strolche wollen nicht mit Lilli deutsch sprechen, das ist ihnen zu peinlich. "Dann einen Sprachkurs an der deutschen Schule, da trefft ihr andere Kinder in eurem Alter", schlägt Lilli weiter vor. "Neiiiin, keine anderen Kinder", sagen die Strolche. Einen Privatkurs? "Neiiiin, keinen Privatlehrer, da müssen wir ja richtig mitarbeiten." Im Prinzip möchten sie lernen, ohne sich anstrengen zu müssen. Die Augen des kleinen Strolches fangen an zu leuchten: "Ja, eine Maschine, die an unser Gehirn gekoppelt wird und uns alles im Schlaf eintrichtert, das wär schön", meint er. Aber Lilli lässt sich nicht unterkriegen. In den Kleinanzeigen findet sie gleich zwei Privatlehrer, die Stunden für alle Altersstufen anbieten. Jetzt muss nur noch ein Termin gefunden werden, an dem weder Eishockey noch Football noch Basketball noch Gitarre stattfindet - wahrscheinlich so sonntags zwischen zwölf und eins. Am besten setzt sich Monsieur auch gleich dazu, dann ist Lilli an Weihnachten fein raus.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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