Zeitmanagement
Herbstspaziergänge sind aufregend. Jeder Tag hält ein anderes Farbspektakel bereit: rot wandelt sich zu gelb, sitzt zuerst hoch in den Bäumen, dann unter ihnen, und plötzlich kommen Häuser zum Vorschein, von denen man im Sommer nicht hätte sagen können, wie sie aussehen. Das Laufen wird geradezu zur Sucht: an den Tagen, an denen Lilli von morgens bis in die Dunkelheit im Büro sitzt und nicht ihre übliche Runde dreht, fehlt ihr das gleichmässige Durch-die-Landschaft-Gleiten, als ob man ihr ein Organ wegoperiert hätte. "Wenn ich in Rente bin, gehe ich jeden Tag laufen", denkt Lilli sich. Dann rechnet sie aus, dass das noch über zwanzig Jahre hin ist, und ein himalayisches Sprichwort fällt ihr ein: "Les gens disent que le temps passe, le temps dit que les gens passent." Vielleicht sollte sich Lilli einen Hund zulegen?
Lilli legt los - 7. Nov, 09:42
Der kleine Strolch kommt regelmässig auf den letzten Drücker in die Schule, und schon mehrmals in letzter Zeit hat die Sekretärin ein Auge zugedrückt und ihn durchgewinkt, ohne ihm einen Vermerk ins Buch zu schreiben. Deshalb beschliesst Lilli, die Expertin für Zeitmanagement, dem Problem der morgendlichen Effizienz auf die Haut zu rücken.
Erste Stufe: das Pausenbrot muss vor dem Frühstück gerichtet werden, die Dauer des Frühstücks kann dann flexibel gestaltet werden. Der kleine Strolch kommt auf den letzten Drücker in die Schule, weil er nach dem Frühstück überall nach Heften, Büchern, Stiften sucht.
Zweite Stufe: der Schulranzen muss am Vorabend gepackt werden. Der kleine Strolch kommt auf den letzten Drücker in die Schule, weil er beim Zähneputzen viel zu lange vor dem Spiegel steht.
Dritte Stufe: Zusätzlich zum Schulranzen muss am Vorabend auch das Pausenbrot gerichtet werden. Prompt kommt der kleine Strolch zu spät in die Schule. "Ich konnte mir heute morgen ja so schön Zeit lassen, da ging die Uhr irgendwie schneller als sonst", erklärt er ratlos. Lilli erwägt jetzt, sich einen Gong anzuschaffen.
Lilli legt los - 17. Okt, 10:06
Dieses Poster aber hat es verdient. Demnächst wird Lilli es sich ins Gästeklo hängen.
Lilli legt los - 10. Sep, 17:13
Dem kleinen Strolch hat es gefehlt, von Lilli in den Arm genommen zu werden. Dem grossen Strolch hat Lilli eher allgemein als stetige Präsenz gefehlt ("So wie ein Möbelstück, hm?", meint Lilli. "Nein, so wie meine Fische", sagt doch der, meint es aber nur im Spass). Monsieur hat der "Kapitän" gefehlt, jemand, der sagt, wo es lang geht und dass man sich zum Essen an den Tisch und nicht vor den Fernseher setzt. Lilli wiederum hat ihre Familie kein bisschen gefehlt: sie hat es auf geradezu erschreckende Weise genossen, mal eine Woche lang nicht zuständig zu sein, nicht für andere planen zu müssen und, wenn sie aus der Ferne "Mama" hört, genau zu wissen, dass es sie nichts angeht. Wie schwer so was wiegt, merkt man wohl erst, wenn ein anderer den Packen trägt...
Eine Woche lang hat Lilli ihre Auszeit sehr genossen. Danach waren alle froh, wieder zur bewährten Viererfamilie zusammenzuschmelzen, die sich so anfühlt, wie es sein muss.
"Sonst würde man ja auch viel zu wenig Obst und Gemüse essen", meint Monsieur noch. Ach ja.
Lilli legt los - 27. Jun, 18:04
Aaaaah. Zwei Wochen Florida. Eine Ferienwohnung mit genügend Zimmern für die nötige Privatsphäre. In Strandnähe. "Mit Schwimmbad?", fragen die Strolche. "Mit Wifi?", fragt Monsieur. "Mit Wifi am Schwimmbad", sagt Lilli, ganz stolz über ihren Fund.
Ferien sind nicht dazu da, Probleme zu klären, das weiss Lilli. Im Gegenteil, sie sind eine Auszeit, in der man die Probleme wegschiebt, um sie hinterher aus einem neuen Winkel betrachten zu können. Ach wie schön.
Lilli legt los - 11. Mai, 10:27
Lilli war in der Stressfortbildung von Serge Marquis, die für alle Mitarbeiter angeboten wird ("Ein ganzer Nachmittag geht dafür drauf. Das stresst mich jetzt aber!"). Er legt eine Einmannshow ab mit vielen lustigen Beispielen, die alle zu bitterem Lachen bringen. Zum Beispiel die Sache mit den Affen: In Malaysien fängt man Affen, indem man ein kleines Loch in eine Kokosnuss bohrt. Man leert die Milch weg und füllt die Nuss mit Reis, bevor man sie wieder in den Baum hängt. Der Affe kommt und will an den Reis. Er steckt die Hand in das Loch, das gerade so gross ist, dass die Hand durchpasst, wenn er die Finger eng aneinanderpresst. Im Inneren der Kokosnuss grabscht sich der Affe den Reis, dann versucht er, die volle Hand durch das Loch oben wieder rauszuziehen. Was aber nicht geht, denn mit dem ganzen Reis in der Hand ist sie zu dick. Der Affe fängt an zu schreien und zu schaukeln, er zieht am Arm, schwengt die Nuss hin und her, aber es ist nichts zu machen, er kriegt die Hand nicht raus. Die Jäger brauchen ihn nur vom Baum zu pflücken.
Vielleicht nicht gerade ein revolutionär neues Gleichnis, aber von schöner bildhafter Einprägsamkeit, finden Sie nicht?
Lilli legt los - 9. Mai, 18:12
Wieder einmal ist Lilli mit geschlossenen Augen durch den April getaumelt. April ist hier kein Monat zum Leben: der Winter wintert noch vor sich hin, obwohl er jedem zum Hals raushängt und sich schon längst hätte nach Norden in den Permafrost (auf französisch so ein hübsches Wort, pergelisol) verziehen sollen; die Bäume schlagen kein bisschen aus, dafür schlägt die Einkommensteuer zu und die Ameisen, die man letzten Sommer aus der Küche vertrieben hat, schlagen mit erneuten Kräften zurück. Wieder einmal ist Lilli mit geschlossenen Augen Tag für Tag zum Zug gestiefelt, hat sich nach der Arbeit durch unzählige Elternsitzungen gekämpft und schmerzhafte Stunden auf unbequemen Bänken in miefenden Turn- und Eishallen abgesessen. Und dann auf einmal sprechen Lillis Mitmenschen von Sommerferien und Urlaubsplänen, da müssen Feriencamps gesucht und gebucht werden und die Wochen bis zum Schulende zählen sich an zwei Händen ab. Da braucht man plötzlich kurze Hosen, Sandalen und eine Pediküre, und die Vögel schreien Lilli zu: Mach die Augen auf, der Sommer ist da. Dieser Tage blinzelt Lilli wie ein Bär nach dem Winterschlaf.
Lilli legt los - 17. Apr, 18:17
Von Kanada aus gesehen ist Frankreich langsam. Was für Lilli besonders irritierend ist, weil Lilli einen Abgabetermin hat, der mit einer Veranstaltung zusammenhängt und deshalb in Beton gegossen ist. Nicht verschiebbar, nicht flexibel. Nun, Lillis Ansprechpartnerin in Frankreich ist auch nicht sehr flexibel. Erstens kann sie keine grossen Datenmengen schicken, da ihr Computer (erstaunlich für eine Video-Produktionsfirma!) nur auf Schneckentempo funktioniert. Und zweitens schlägt sie vor, die als Ersatzlösung kopierten CDs mit der Post zu schicken. MIT DER POST! Schlimmer noch: MIT DER FRANZÖSISCHEN POST! Lilli fleht sie an, doch bitte einen privaten Lieferdienst in Erwägung zu ziehen, aber die Dame verpasst die Öffnungszeiten und schickt ihr Paket also doch mit der Post. "Am Dienstag kommt es an", verspricht sie. Am Dienstag aber sitzt das Paket noch in Roissy, ohne dass die Post weitere Erklärungen abgibt, warum es denn nicht weitergeht. Wahrscheinlich ein Fehler in der Zollerklärung... Anstatt also an ihrem Projekt zu arbeiten, atmet Lilli durch die Nase und lernt Geduld. Nicht gerade ihre Hauptbegabung.
Lilli legt los - 4. Apr, 05:00
So wünscht sich Lilli das:
1. Drei Regale: eins mit tiefer Taille, eins mit halbhoher Taille, eins mit "klassischer" Taille. Dann:
2. Jedes Regal unterteilt in: eng, gerade, leicht ausgestellt. Dann:
3. Sucht man sich seine Grösse, die es dann noch in kurz, normal und Überlänge gibt.
So einen Laden gibt es tatsächlich, und nach etlichen Gängen in die Umkleidekabine mit Stössen von Jeans unter dem Arm ist Lilli jetzt - hurra - bekleidungstechnisch im neuen Jahrtausend angekommen. Dass an der Kasse keine Fanfare ertönt, ist schade.
Lilli legt los - 2. Apr, 11:29
Seit Lilli so viel im Internet klickt, hat sie was dazugelernt: sie kann jetzt Chips auch mit der linken Hand essen.
Lilli legt los - 29. Mär, 21:36